ArbG Oberhausen: Tarifliche Ausschlussfristen erfassen Urlaubsabgeltungsanspruch

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH spielt es für den Urlaubsabgeltungsanspruch keine Rolle mehr, ob ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch arbeitsunfähig war oder nicht. Aus diesem Umstand folgt, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig wird. Ab diesem Zeitpunkt beginnen tarifliche Ausschlussfristen zu laufen. Diese betreffen nicht nur den Tarifurlaub, sondern auch den gesetzlichen Mindesturlaub.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 01.02.1980 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag verweist auf den örtlich maßgeblichen Tarifvertrag für den Einzelhandel einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen. Der Tarifvertrag enthielt eine Klausel, wonach Ansprüche nicht verfallen, sofern sie innerhalb von drei Monaten schriftlich geltend gemacht worden sind.

Die Klägerin war vom 27.01.1997 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 31.03.2008 arbeitsunfähig erkrankt und bezog in den letzten Jahren eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Ab dem 01.04.2008 bezieht sie eine unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente.

Mit Schreiben vom 26.06.2009 machte die Klägerin Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2006-2008 geltend. Nachdem die Beklagte die Zahlung abgelehnt hatte, erhob sie Klage.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Urlaubsabgeltungsanspruch zu. Die tarifliche Ausschlussfrist könne nicht für gesetzliche Ansprüche Geltung entfalten.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei verfallen. Ferner sei die Klägerin nach Treu und Glauben gehindert, sich auf den Urlaubsabgeltungsanspruch zu berufen.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Gerichts ist der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden und am 30.6.2008 verfallen. Geltend gemacht wurde der Anspruch erst mit Schreiben vom 26.6.2009, so dass der Anspruch verfallen sei.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG spielten tarifliche Ausschlussfristen in der Konstellation, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit nicht realisieren konnte, kaum eine Rolle. Denn nach dieser Rechtsprechung verfiel der Urlaubsabgeltungsanspruch unabhängig von der Frage, ob und wann der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig wurde, nach den gesetzlichen Vorschriften spätestens zum 31.3. des Folgejahres. Tarifliche Ausschlussfristen, die einen Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs vor diesem Zeitpunkt anordneten, verstießen aufgrund der Annahme, der Urlaubsabgeltungsanspruch folge als Surrogat des Urlaubsanspruch denselben Regeln wie dieser, gegen § 13 Abs. 1 BUrlG.

Für die Frage, ob ein Arbeitnehmer, der bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte, einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben konnte, kam es wegen der Eigenschaft des Urlaubsabgeltungsanspruchs als Surrogat des Urlaubsanspruches darauf an, ob der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums wieder arbeitsfähig wurde. War dies nicht der Fall, konnte der Urlaubsanspruch insgesamt nicht mehr geltend gemacht werden, so dass auch ein Urlaubsanspruch schon nach gesetzlichen Vorschriften verfiel.

Nachdem der EuGH entschieden hat, dass es mit europäischem Recht nicht vereinbar ist, wenn der Urlaubsabgeltungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums nach gesetzlichen Vorschriften verfällt (EuGH, Urt. v. 20.1.2009 – C-350/06, AP Nr. 1 zu Richtlinie 2003/88/EG), hat sich die Rechtsprechung dieser Rechtsauffassung angeschlossen und zugleich klargestellt, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des gesetzlichen Urlaubsrechts möglich ist (BAG, Urt. v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG; LAG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.2009 – 12 Sa 486/06, NZA-RR 2009, 242).

Folglich scheint es nunmehr gesicherte Erkenntnis zu sein, dass es für den Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin keine Rolle spielen konnte, ob sie über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus arbeitsunfähig erkrankt war. Spielt danach der gesetzliche Verfall des Urlaubsanspruchs nach § 7 Abs. 3 BUrlG für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs bei fortbestehender Erkrankung aber keine Rolle mehr, wird der Urlaubsabgeltungsanspruch – wie es § 7 Abs. 4 BUrlG bei wörtlicher Auslegung vorschreibt – mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, was auch § 24 MTV, der auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, vorschreibt.

Nach dieser Vorschrift hätte die Klägerin den Urlaubsabgeltungsanspruch daher spätestens bis zum 30.6.2008 geltend machen müssen. Dies ist jedoch erst mit Schreiben vom 26.6.2009 geschehen. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist daher nach der tariflichen Vorschrift verfallen.

Die Anwendung der tariflichen Ausschlussfrist verstößt auch nicht gegen § 13 BUrlG. Denn wenn der Urlaubsabgeltungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit nicht (mehr) nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet ist, widerspricht eine tarifliche Ausschlussfrist auch nicht gesetzlichen Vorschriften. Denn in diesem Fall unterscheidet sich die Urlaubsabgeltung nicht mehr von anderen zwingenden Vorschriften, bei denen ohne weiteres tarifliche Ausschlussfristen zur Anwendung kommen können.

Zwar hat das BAG diese Frage für den Urlaubsabgeltungsanspruch zuletzt offen gelassen (BAG, Urt. v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG). Doch ist es für die mit § 13 BUrlG vergleichbare Vorschrift des § 12 EFZG gesicherte Rechtsprechung, dass Ausschlussfristen zum Verfall entsprechender Ansprüche führen können (BAG, Urt. v. 16.1.2002 – 5 AZR 430/00, AP Nr. 13 zu § 3 EFZG).

Zur Begründung wird überzeugend angeführt, die Ausschlussfrist betreffe nicht die inhaltliche Einschränkung des Anspruchs, den § 12 EFZG verbiete, sondern nur dessen Geltendmachung und zeitliche Begrenzung (BAG, Urt. v. 30.3.1962 – 2 AZR 101/61, AP Nr. 28 zu § 4 TVG Ausschlussfristen; BAG, Urt. v. 16.1.2002 – 5 AZR 430/00, AP Nr. 13 zu § 3 EFZG). Ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Entgeltfortzahlungsansprüchen mit Ansprüchen auf Urlaubsabgeltung besteht nicht.

Praxistipp:

  • Die zeitliche Befristung des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung als Surrogat des Urlaubsanspruchs verbot nach früherer Rechtslage eine tarifliche Ausschlussklausel.
  • Nachdem die Urlaubsabgeltung nach neuerer Rechtsprechung des EuGH nun trotz Krankheit unbegrenzt geltend gemacht werden kann, sollen Ausschlussklauseln auch hierauf anwendbar sein.
  • Was beispielsweise für Entgeltfortzahlungsansprüche gelte, dürfe für Urlaubsabgeltungsansprüche nicht abweichend geregelt sein.
  • Da es sich um eine grundlegende Rechtsfrage handelt, wird es vermutlich zu einer abschließenden Entscheidung des BAG kommen.