BAG: Auskunftsanspruch eines abgelehnten Stellenbewerbers?

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Gebietet es das Gemeinschaftsrecht, einem Bewerber, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, dessen Bewerbung jedoch nicht berücksichtigt wurde, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft einzuräumen, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist?

Die 1961 in Russland geborene Klägerin hatte sich im Jahre 2006 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines/einer Softwareentwicklers/in erfolglos beworben. Die Beklagte teilte ihr nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich waren. Die Klägerin behauptet, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) diskriminiert worden. Sie hat von der Beklagten eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts sah sich an einer abschließenden Sachentscheidung gehindert, weil eine solche von einer dem Gerichtshof der Europäischen Union obliegenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt.

Die Klägerin hat zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen und die nach § 22 AGG zu einer Beweislast der Beklagten dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Einen Anspruch der Klägerin auf Auskunft gegen die Beklagte, ob diese einen anderen Bewerber eingestellt hat und gegebenenfalls aufgrund welcher Kriterien, sieht der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts nach nationalem Recht nicht. Ob dies den einschlägigen Antidiskriminierungsrichtlinien des Gemeinschaftsrechts entspricht, durfte der Senat nicht selbst entscheiden.

(Pressemitteilung BAG, Beschluss vom 20. Mai 2010 – 8 AZR 287/08)

Praxistipp:

  • Die Beweistlastregel im Rahmen des Diskriminierungsrechts ist in § 22 AGG festgeschrieben.
  • Sie gewährt Benachteiligungsklägern eine Beweiserleichterung dahingehend, dass diese lediglich Indizien dafür beweisen müssen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu vermuten ist.
  • Gelingt dies, trägt die andere Partei die volle Beweislast für das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen Benachteiligungsverbote.
  • Klägern soll ein strenger Nachweis von Tatsachen erspart werden, die in der Sphäre des Unternehmens liegen und somit Beschäftigten oder Bewerbern nicht genügend bekannt sind.
  • Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Anspruchsgegners soll damit nach dem Willen des Gesetzgebers nicht verbunden sein.
  • Deshalb hat er bewusst nicht den Begriff des „Glaubhaftmachens“ verwendet, wie er in den entsprechenden EU-Richtlinien steht.
  • Das BAG will nun eine Klärung durch den EuGH dazu herbeiführen, ob die deutsche Regelung des § 22 AGG den Vorgaben der EU-Richtlinien entspricht.
  • Sollte dem nicht so sein, müssen Arbeitgeber damit rechnen, dass ihnen hinsichtlich der Dokumentation des eigenen korrekten Verhaltens höhere Anforderungen drohen als bislang.
  • Es würde nicht allein genügen, Indizien einer Diskriminierung zu vermeiden. Die Arbeitgeber müssten für jede Personalentscheidung belegen können, dass diese diskriminierungsfrei erfolgt ist.