BAG: Einsicht in die Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – Erster Vorbote auf das neuen Bundesdatenschutzgesetz

Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Hierzu zählt auch das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers resultierende Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Der Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2007 als Schadensbüroleiter beschäftigt. Die Beklagte führt die Personalakte des Klägers weiter. Nach Vertragsende teilte ihm eine Personalbearbeiterin im Rahmen einer Zeugnisauseinandersetzung mit, dass Gründe vorhanden seien, die auf seine mangelnde Loyalität schließen ließen. Der Kläger verlangt Einsicht in seine Personalakte. Die Beklagte verweigert dies mit Hinweis auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Entscheidung

Die Revision des Klägers war vor dem Neunten Senat erfolgreich. Er verurteilte die Beklagte, dem Kläger Einsicht in seine Personalakte zu gewähren. Der Arbeitnehmer hat auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse daran, den Inhalt seiner fortgeführten Personalakte auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Der Anspruch folgt allerdings nicht aus § 34 BDSG. Die dort geregelten Ansprüche auf Auskunft und Einsicht gelten noch nicht für nur in Papierform dokumentierte personenbezogene Daten. Zurzeit befindet sich ein entsprechendes Änderungsgesetz in der parlamentarischen Beratung.

(Pressemitteilung BAG, Urteil vom 16.11.2010 – 9 AZR 573/09)

Praxistipp:

  • Die Personalakte ist definiert als „jede Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die sich auf die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers bezieht und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht.
  • Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verpflichten Letzteren, die Personalakte vor dem Zugriff Dritter zu bewahren.
  • Der Arbeitnehmer hat einen nebenvertraglichen Anspruch auf jederzeitige Einsicht in seine Personalakte, der für Betriebe mit Betriebsrat ausdrücklich in § § 83 Absatz 1 BetrVG und § 26 Absatz 2 SprAuG genannt ist, jedoch allen Arbeitnehmern zusteht.
  • Bislang war durch das BAG nicht entschieden, ob auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Einsichtsrecht in die Personalakte besteht. Es wurde in der Literatur u.a. vertreten, dass der Arbeitnehmer hierfür ein konkretes Interesse nachweisen müsse, wofür aber angesichts des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Arbeitnehmers keine hohen Anforderungen zu stellen seien.
  • Das BAG hat nun das nachvertragliche Einsichtsrecht des Arbeitnehmers bestätigt. Die Anspruchsgrundlage ist jedoch aus der entsprechenden Pressemitteilung nicht ersichtlich. Lediglich § 34 BDSG wurde ausdrücklich ausgeschlossen, weil sich diese Vorschrift nicht auf in Papierform gespeicherte Daten beziehe.
  • Erwähnt wurde allerdings das sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindliche Beschäftigtendatenschutzgesetz, das den Auskunftsanspruch nach § 34 BDSG auch auf Daten erstrecken wird, die nicht automatisiert erhoben oder verarbeitet wurden (§ 27 Absatz 3 Satz 2 BDSG n.F.).