LAG Berlin-Brandenburg: Anstellungsverhältnis nach Ende des Vorstandsamtes darf nicht bereits im Vorstandsvertrag vereinbart werden
Wird mit einem Vorstandsmitglied, das vorher nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Aktiengesellschaft stand, im Anstellungsvertrag vereinbart, dass allgemein für den Fall der Beendigung der Organstellung dieses Anstellungsverhältnis unverändert als Arbeitsverhältnis weitergeführt wird, so ist eine solche Vertragsgestaltung wegen Umgehung des § 84 Abs. 1 AktG unwirksam.
Der Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob nach Beendigung der Vorstandstätigkeit zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis begründet worden ist.
Der Kläger schloss am 28.08.2001 einen ersten unbefristeten Anstellungsvertrag mit der Beklagten ab. Der Kläger befand sich vorher nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Der Kläger wurde bis zum 08.11.2006 in den Vorstand berufen. Am 12.12.2004 erwarb ein anderes Unternehmen eine 100%ige Beteiligung an der Beklagten. Drei Tage zuvor schlossen der Kläger und die Beklagte einen zweiten unbefristeten Anstellungsvertrag, der in Abwandlung zur vorherigen Vereinbarung unter anderem folgendes vorsah:
„Für den Fall einer Beendigung der Organstellung von Herrn J. als Vorstand wird das durch diesen Vertrag geregelte Anstellungsverhältnis als Arbeitsverhältnis weitergeführt, es sei denn, Herr J. legt sein Amt als Vorstand nieder ( ). Die ordentliche Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Die Gesellschaft verzichtet auf ihr Recht zur ordentlichen Kündigung für einen Zeitraum von 60 Monaten ab Gültigkeit dieses Vertrages.“
Der Kläger wurde auch nach dem 08.11.2006 als Vorstandsmitglied tätig, ohne dass seine Bestellung durch den Aufsichtsrat verlängert wurde. Am 15.02.2007 widerrief der Aufsichtsrat der Beklagten die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied und beendete den Dienstvertrag vom 09.12.2004 mit sofortiger Wirkung.
Die vom Kläger vor dem Arbeitsgericht erstrebte Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen.
Die Entscheidung
Die Berufung des Klägers wurde vom LAG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen. Zwar sei die Klage zutreffend gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, erhoben worden. Jedoch verstoße die vorliegende Vereinbarung eines sich an die Vorstandstätigkeit anschließenden Arbeitsverhältnisses gegen die Vorschrift des § 84 Abs. 1 AktG.
In dieser Norm wird die Amtszeit von Vorstandsmitgliedern auf 5 Jahre begrenzt. Zweck dieser Regelung ist es, dem Aufsichtsrat nach Ablauf der Bestellungsperiode die Entscheidungsfreiheit darüber zu belassen, ob er den Vorstandsvertrag verlängern oder beenden möchte.
Nach Auffassung des Gerichts sei diese Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates beeinträchtigt, wenn dem Vorstandsmitglied bereits mit dem Vorstandsvertrag zugesichert werde, dass er nach Beendigung der Organstellung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eine Fortsetzung seiner Tätigkeit bei dem Unternehmen erzwingen kann.
Diesem Ergebnis widerspreche es auch nicht, dass grundsätzlich anerkannt sei, dass ein vor der Bestellung zum Vorstand bestehendes Arbeitsverhältnis während der Vorstandstätigkeit ruhe und nach Beendigung der Vorstandstätigkeit wieder auflebe. Denn in diesem Falle habe das Vorstandsmitglied bereits eine gesicherte Rechtsposition, die nach Beendigung des Vorstandsamtes bloß wieder fortgesetzt werde.
Im vorliegenden Fall widerspricht nach Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg auch die Regelung, dass einseitig nur das Vorstandsmitglied den Vorstandsvertrag kündigen kann, dem Zweck von § 84 Abs. 1 AktG.
(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.04.2008 15 Sa 193/08)
- Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.
- Diese Entscheidung betrifft die sehr praxisrelevante Frage, welche Zusagen Vorstandsmitgliedern in Vorstandsverträgen für die Zeit nach Beendigung des Vorstandsamtes gegeben werden können.
- Nach der Rechtsprechung des BGH können Zusagen für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Vorstandsamt als Umgehung nach § 84 Abs. 1 AktG unzulässig sein, wenn die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrates bei einer etwaigen Wiederbestellung des Vorstandsmitglieds beeinträchtigt ist.
- Ein Beispiel hiefür ist die Zusage einer Altersversorgung in Höhe der Aktivbezüge.
- Das LAG Berlin-Brandenburg überträgt diesen Fall auf den vorliegenden Fall der Fortsetzung der Arbeitsbeziehung in Form eines Arbeitsverhältnisses.
- Ob diese Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg Bestand haben wird, ist zweifelhaft.
- Im Gegensatz zur Zusage einer Altersversorgung erhält die Gesellschaft durch die Fortsetzung der Tätigkeit immerhin eine Gegenleistung. Gerade dieser Umstand sollte den Aufsichtsrat in seiner Entschließungsfreiheit nicht beeinträchtigen.