AGG: Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einrichtung einer Beschwerdestelle

Die Arbeitgeber müssen im Zuge des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) in ihrem Betrieb eine Beschwerdestelle einrichten. Ob hierbei dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wurde von zwei Arbeitsgerichten jüngst unterschiedlich entschieden.

Das AGG sieht in seinem § 13 ein Beschwerderecht für Beschäftigte vor, wenn sich diese aufgrund eines Diskriminierungsmerkmals benachteiligt fühlen. Arbeitnehmer haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren.

Bislang ungeklärt ist die Frage, ob der Betriebsrat bei der Einrichtung der Beschwerdestelle ein Mitbestimmungsrecht hat. Hierzu liegen inzwischen unterschiedliche Entscheidungen zweier Arbeitsgerichte vor.

ArbG Frankfurt a. M.:

Das ArbG Frankfurt a. M. hat dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zugebilligt. Dabei lag folgender Sachverhalt zugrunde:

In einem Informationsschreiben zum AGG teilte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern mit, dass sie das Recht hätten, sich im Fall von Benachteiligungen mit einer Beschwerde an eine näher bezeichnete Beschwerdestelle im Betrieb zu wenden.

Weiter wurde das Beschwerdeverfahren detailliert beschrieben: Die Beschwerdestelle solle der Beschwerde nachgehen und dafür den Beschwerdeführer und denjenigen, der die Benachteiligung begangen haben soll, befragen und eventuell auch Zeugen einbeziehen. Die Beschwerde solle geprüft und der Beschwerdeführer über das Ergebnis informiert werden. Im Falle einer festgestellten Benachteiligung durch Beschäftigte oder Dritte war vorgesehen, dass die Beschwerdestelle den Arbeitgeber informiert, damit dieser entsprechend den Vorgaben des AGG reagieren könne.

Für das Arbeitsgericht Frankfurt a. M. war es zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass durch die vom Arbeitgeber geplante Einrichtung einer Beschwerdestelle Fragen der Ordnung des Betriebs sowie des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen sind (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Dies begründete das Arbeitsgericht insbesondere damit, dass der Arbeitgeber der von ihm eingerichteten Beschwerdestelle die oben beschriebenen weitergehende Kompetenzen zugesteht, damit diese Beschwerden aufklären kann.

(ArbG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23.10.2006 – 21 BV 690/06).

ArbG Hamburg:

Das ArbG Hamburg hat gegenteilig entschieden. Dem Betriebsrat steht im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Beschwerdestelle nach dem AGG kein Mitbestimmungsrecht zu. Insbesondere wurde im Gegensatz zum ArbG Frankfurt a. M. ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG abgelehnt. Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts ist die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens der Arbeitnehmer im Betrieb. Es seien deshalb nur Maßnahmen mitbestimmungspflichtig, durch die der Arbeitgeber in Ausübung seiner Organisationsmacht bestimmt, welche Arbeiten in welcher Art und Weise zu verrichten sind. Das Arbeitsgericht Hamburg geht davon aus, dass bei der Einrichtung einer Beschwerdestelle nach § 13 AGG die Gestaltung der Ordnung des Betriebs nicht berührt wird.

(ArbG Hamburg, Beschluss vom 20.02.2007 – 9 BV 3/07).

Praxistipp:

  • Aus den beiden Entscheidungen kann noch keine verbindliche Richtschnur zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats abgeleitet werden.
  • Es wohl zu differenzieren zwischen der bloßen Benennung der Beschwerdestelle einerseits und der genauen Ausgestaltung des Beschwerdeprozesses andererseits.
  • Bei der Bennenung der Beschwerdestelle sollte kein Mitbestimmungsrecht vorliegen, da diese in die Organisationshoheit des Arbeitgebers fällt.
  • Bei der Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens kann ein Mitbestimmungsrecht bestehen, weil hierbei das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen ist.
  • Arbeitgebern ist anzuraten, den Betriebsrat schon im Vorfeld in dieser Frage einzubeziehen, um Konflikte zu vermeiden und dessen Unterstützung zu nutzen.