Ausgleichsanspruch für Reisezeit eines Betriebsratsmitglieds
In diesem Beschlussverfahren hatte das BAG zu entscheiden, in welchem Umfang ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied einen Ausgleichsanspruch für Reisezeiten zu einer Schulungsveranstaltung geltend machen kann.
Zeitausgleich bei Schulung
Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder haben einen Anspruch auf Zeitausgleich durch Arbeitsbefreiung, sofern sie an erforderlichen Schulungsveranstaltungen teilnehmen (§ 37 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG). Dies gilt auch dann, wenn die Schulungsveranstaltung außerhalb der Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds stattfindet (§ 37 Abs. 6 Satz 2 1. Halbsatz BetrVG). Allerdings ist in diesem Fall der Ausgleichsanspruch in der Höhe begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers (§ 37 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG).
Reisezeiten
Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2003 können grundsätzlich auch Wege, Fahrt- und Reisezeiten, die ein Betriebsratsmitglied zur Erfüllung notwendiger betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben außerhalb seiner Arbeitszeit aufwendet, einen Anspruch auf Freizeitausgleich gemäß § 37 Abs. 3 BetrVG auslösen, soweit sie mit der Durchführung der entsprechenden Betriebsratstätigkeit in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang stehen. Allerdings dürfen Betriebsratsmitglieder gemäß § 78 Satz 2 BetrVG wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Aufgrund dessen sind primär für die Berücksichtigung von Reisezeiten tarifvertragliche oder betriebliche Regelungen über die Durchführung von Dienstreisen maßgeblich.
Teilzeit – Vollzeit
Im vorliegenden Falle entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Reisezeiten, die ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied außerhalb seiner Arbeitzeit aufwendet um an einer erforderlichen Schulungsveranstaltung teilzunehmen, einen Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung begründen. Das setzt voraus, dass die Teilzeitbeschäftigung die Ursache dafür ist, dass die Reise außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wurde. Daran fehlt es, wenn die Reise auch dann außerhalb der Arbeitzeit stattgefunden hätte, wenn das Betriebsratsmitglied vollzeitbeschäftigt gewesen wäre.
Derselbe Arbeitsbereich
Vorliegend stand die Rückreise von einer Schulungsveranstaltung am Wochentag Freitag zwischen 14:00 und 18:00 Uhr in Streit. Dieser Zeitraum lag außerhalb der individuellen Arbeitszeit des betroffenen Betriebsratsmitglieds. Aus diesem Grunde hätte diese Reisezeit auch als Ausgleichszeit berücksichtigt werden müssen. Allerdings ergab der Vergleich mit entsprechenden Vollzeitarbeitnehmern desselben Arbeitsbereiches, dass auch deren Arbeitszeit am Wochentag Freitag bereits um 12:00 Uhr endete. Wäre also das betroffene Betriebsratsmitglied als Vollzeitarbeitnehmer Teilnehmer der Schulung gewesen, hätte die Rückreise ebenfalls außerhalb der persönlichen Arbeitszeit stattgefunden.
Keine betriebliche Regelung
Da also die Reise nicht wegen der Teilzeitbeschäftigung außerhalb der Arbeitszeit lag und auch keine betrieblichen oder tariflichen Regelungen über die Kompensation von Reisezeiten bestand, konnte dem betroffenen Teilzeitbetriebsratsmitglied kein Ausgleichsanspruch für die Rückreisezeit zugesprochen werden (BAG, Beschluss vom 10. November 2004 – 7 AZR 131/04).
Praxistipp:
- Auch Reisezeiten von und zu notwendigen Schulungsveranstaltungen sind Mitgliedern des Betriebsrates in Freizeit auszugleichen, sofern sie außerhalb der individuellen Arbeitszeit aufgewendet werden.
- Zusätzlich müssen diese Reisezeiten jedoch auch außerhalb der Arbeitszeiten eines in Vollzeit beschäftigten Betriebsratsmitglieds stattgefunden haben.
- Im Rahmen des Vergleichs mit einem Vollzeitarbeitnehmer ist in einem solchen Fall auf die betriebsübliche Arbeitszeit des Arbeitsbereichs oder der Arbeitnehmergruppe abzustellen, dem oder der das Betriebsratsmitglied angehört.
- Für den Umfang des Ausgleichsanspruchs ist die konkrete Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers am Schulungstag maßgeblich.