BAG: Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG bei Rücknahme der Kündigungsschutzklage

Entscheidend für den Abfindungsanspruch gem. § 1a KSchG bei betriebsbedingten Kündigungen ist, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist klagt. Damit schließen die Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung den Abfindungsanspruch auch dann aus, wenn der Arbeitnehmer die Klage oder den Antrag später wieder zurücknimmt.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war seit 1999 bei der Beklagten beschäftigt. Nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit unterbreitete die Beklagte ihr ein Angebot zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Da die Verhandlungen über die Beendigungsvereinbarung jedoch ergebnislos verliefen, kündigte die Beklagte der Klägerin am 4. März 2005 betriebsbedingt. Für den Fall, dass sie gegen die Kündigung keine Klage erhebt, bot die Beklagte ihr eine Abfindung gem. § 1a KSchG in Höhe eines halben Monatsgehalts je Beschäftigungsjahr an.

Die Klägerin erhob zunächst Kündigungsschutzklage gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die sie später wieder zurücknahm.

Im Anschluss daran erhob sie Klage gegen die Beklagte verbunden mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung. Auch diese Klage wurde von der Klägerin wieder zurückgenommen. Zuletzt begehrte sie von der Beklagten Zahlung der Abfindung in Höhe von 9.900 € gem. § 1a KSchG.

Die Beklagte lehnte die Zahlung der Abfindung ab, da dem nach ihrer Auffassung die zuvor erfolgte Erhebung der Kündigungsschutzklage entgegenstehe. Die anschließende Klagerücknahme könne daran nichts ändern. Während das Arbeitsgericht der Klage stattgab, wies das Landesarbeitsgericht sie ab.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des BAG hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der Abfindung in Höhe von 9.900 € gem. § 1a KSchG. Der Anspruch nach § 1a KSchG setzt nämlich voraus, dass der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt und der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist klagt. Außerdem muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben auf diese Anspruchsvoraussetzungen hinweisen.

Der Zweck der gesetzlichen Regelung besteht darin, eine außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern, um eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Kündigung im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses zu vermeiden. Durch die Erhebung einer Kündigungsschutzklage oder einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung wird der Abfindungsanspruch ausgeschlossen.

Dieser lebt durch eine nachträgliche Klage- oder Antragsrücknahme auch nicht wieder auf. In diesem Fall wird der Arbeitgeber nämlich trotzdem mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert. Da er das mit dem Angebot einer Abfindungszahlung jedoch gerade vermeiden wollte, würde eine andere Beurteilung dem Zweck des § 1a KSchG zuwider laufen.

(BAG Urteil vom 13.12.2007, 2 AZR 971/06)

Praxistipp:

  • Da die Regelung des § 1a KSchG nach der Vorstellung des Gesetzgebers ausdrücklich eine außergerichtliche Streitbeilegung und die Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit bezweckt, scheidet in den Fällen einer späteren Klage- oder Antragsrücknahme auch eine analoge Anwendung des § 1a KSchG aus. Es fehlt eindeutig an einer planwidrigen Regelungslücke.
  • Allerdings bleibt es den Parteien unbenommen für den Fall einer nachträglichen Klagerücknahme einen vertraglichen Abfindungsanspruch zu vereinbaren. In diesem Fall findet allerdings die Berechnungsmethode hinsichtlich der Höhe der Abfindung gem. § 1a KSchG keine Anwendung.
  • Das Entstehen des Abfindungsanspruchs gem. § 1a KSchG setzt ferner die Schriftform sowohl hinsichtlich der Kündigung als auch hinsichtlich der Hinweise auf die Betriebsbedingtheit der Kündigung und den Abfindungsanspruch voraus.
  • Da der Abfindungsanspruch erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist entsteht, ist weitere Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt noch besteht. Daran fehlt es zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber zuvor zusätzlich eine wirksame fristlose Kündigung ausspricht oder der Arbeitnehmer vor Ablauf der Kündigungsfrist stirbt. Das kann insbesondere bei sehr langen Kündigungsfristen relevant werden.
  • Nach einer anderen Entscheidung des BAG ist der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG nicht vererblich.