BAG: Abfindungsanspruch gemäß § 1a KSchG

Kündigt ein Arbeitgeber betriebsbedingt und weist er im Kündigungsschreiben darauf hin, dass dem Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der dreiwöchigen Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage eine Abfindung zusteht, hat der Arbeitnehmer gem. § 1a KSchG einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr. Die Vereinbarung einer geringeren Abfindung setzt einen deutlichen Hinweis des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben voraus.

Der Sachverhalt

Die Beklagte hatte dem Kläger betriebsbedingt gekündigt und im Kündigungsschreiben mitgeteilt, dass er eine Abfindung beanspruchen könne, falls er innerhalb der dreiwöchigen Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage keine Klage einreiche. Dem Kündigungsschreiben war eine Stellungnahme des Betriebsrates beigefügt, die einen handschriftlichen, nicht unterzeichneten Vermerk des Betriebsratsvorsitzenden enthielt, wonach eine Abfindung in Höhe von 8.000 € vereinbart worden sei. Nachdem der Kläger gegen die Kündigung keine Klage erhoben hatte, zahlte die Beklagte an ihn 8.000 €.

Mit seiner Klage macht der Kläger nun die Zahlung weiterer 4.076,16 € geltend. Zur Begründung trägt er vor, dass ihm gem. § 1a KSchG eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr zustehen würde. Daraus würde sich eine Abfindung von insgesamt 12.076,16 € ergeben. Eine hiervon abweichende Vereinbarung sei nicht zustande gekommen. Außerdem sei der Betriebsratsvorsitzende auch nicht berechtigt gewesen, für ihn eine Vereinbarung zu treffen.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung

Das BAG hat die Vorentscheidungen aufgehoben und der Klage stattgegeben. Der Kläger hat gem. § 1a KSchG einen Anspruch auf eine Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehalts pro Beschäftigungsjahr und kann daher die Zahlung weiterer 4.076,16 € verlangen.

Die Entstehung des Anspruchs gem. § 1a KSchG setzt voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben darauf hinweist, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung handelt und dass bei Verstreichenlassen der Klagefrist eine Abfindung beansprucht werden kann.

Die Vereinbarung einer geringeren Abfindung durch die Arbeitsvertragsparteien wird durch diesen gesetzlichen Anspruch zwar nicht ausgeschlossen. Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedoch eine geringere Abfindung anbieten, muss er unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass sein Angebot kein solches nach § 1a KSchG sein soll. Da aus dem Kündigungsschreiben der Beklagten nicht hinreichend deutlich erkennbar ist, dass die Abfindung geringer ausfallen sollte als nach § 1a KSchG vorgesehen, hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch in gesetzlich vorgesehener Höhe.

(BAG Urteil vom 13.12.2007, 2 AZR 807/06)

Praxistipp:

  • § 1a KSchG gibt dem Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf die Zahlung einer Abfindung.
  • Der Anspruch auf eine Abfindung setzt damit nicht mehr eine Vereinbarung der Parteien außergerichtlich oder im Kündigungsschutzprozess voraus.
  • Eine Kündigung mit Abfindungsangebot gem. § 1a KSchG hat wegen des Vorliegens eines wichtigen Grundes keine Sperrzeit gem. § 144 SGB III hinsichtlich der Zahlung von Arbeitslosengeld zur Folge.
  • Entscheidend ist allerdings, dass die Höhe der Abfindung nicht die in § 1a KSchG genannte Höhe von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr übersteigt.
  • Eine Sperrzeit gem. § 144 SGB III tritt ebenfalls nicht ein wenn eine von § 1a KSchG abweichende, höhere Abfindung auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrags gewährt wurde. Hier kann nicht von einer Beteiligung des Arbeitnehmers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gesprochen werden kann.
  • § 1a KSchG findet nur bei betriebsbedingten Kündigungen Anwendung.
  • Bei einer Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründe verbunden mit einem Angebot des Arbeitgebers auf Zahlung einer Abfindung bei Verstreichenlassen der Klagefrist handelt es sich lediglich um einen vertraglichen Anspruch.
  • Konsequenz ist, dass bei fehlender Vereinbarung hinsichtlich der Höhe der Abfindung nicht auf die Berechnungsmethode des § 1a KSchG zurückgegriffen werden kann.
  • Auch dürfte es in diesem Fall an der genannten Privilegierung bzgl. der Sperrzeitenregelung gem. § 144 SGB III fehlen.