BAG: Verzicht auf das Kündigungsrecht durch den Ausspruch einer Abmahnung auch während der Probezeit

Sofern ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen einer Pflichtwidrigkeit abmahnt, verzichtet er damit zugleich auf das Recht zur Kündigung wegen der abgemahnten Pflichtwidrigkeit. Das gilt auch bei einer Abmahnung, die innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG und damit außerhalb des Kündigungsschutzes nach dem KSchG erklärt wird.

Der Sachverhalt

Der Kläger war bei der Beklagten befristet für rund neun Monate eingestellt. Vereinbart war eine sechsmonatige Probezeit sowie durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag das Recht zur ordentlichen Kündigung.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2005, das dem Kläger am 15. Februar 2005 – und damit wenige Tage vor Ablauf der Probezeit – zuging, erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag, das dem Kläger am 16. Februar zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Anfang des nächsten Monats.

Abmahnung und Kündigung waren von derselben Mitarbeiterin der Beklagten unterschrieben. Diese hatte auch zuvor mit dem Kläger das Einstellungsgespräch geführt und den Arbeitsvertrag unterzeichnet. Alle Unterschriften leistete sie mit dem Zusatz „i.A.“.

Mit seiner Klage machte der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend und verlangte Zahlung des Arbeitsentgelts bis zum Ende der Befristung.

Begründet wurde dies damit, dass die Beklagte ihr Kündigungsrecht mit dem Ausspruch der Abmahnung „verbraucht“ habe und dass die Kündigung von einer Angestellten der Beklagten mit dem Zusatz „i.A.“ unterzeichnet worden sei.

Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie die Kündigung auf einen anderen Grund als den abgemahnten Vorfall gestützt hat.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.

Die Entscheidung

Das BAG hat die Vorentscheidung des Landesarbeitsgerichtes aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück verwiesen.

Entscheidend sind weitere Feststellungen aus welchem Grund die Kündigung durch die Beklagte ausgesprochen wurde. Da Arbeitgeber mit einer Abmahnung auch während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses – und damit außerhalb des Geltungsbereiches des KSchG – auf ihr Recht zur Kündigung wegen der abgemahnten Pflichtwidrigkeit verzichten, könnte die Kündigung wegen des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs mit dem Ausspruch der Abmahnung unwirksam sein.

Die streitige Kündigung ist damit nur wirksam, wenn die Beklagte sie auf einen anderen Grund als den abgemahnten Vorfall gestützt hat. Die Beklagte trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast, da der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung es nahe legt, dass die Kündigung wegen der bereits abgemahnten Pflichtwidrigkeit erfolgt ist.

Unerheblich ist jedoch, ob die von der Beklagten behaupteten Gründe die Kündigung sozial rechtfertigen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung mangels Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit noch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz hatte.

Dass die Kündigung von einer Mitarbeiterin der Beklagten mit dem Zusatz „i.A.“ unterzeichnet worden ist, führt jedenfalls noch nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Unterzeichnet ein Angestellter des Arbeitgebers auf einem Briefbogen mit dem Briefkopf des Arbeitgebers eine Kündigung, spricht dies dafür, dass der Angestellte als Vertreter des Arbeitgebers und nicht als dessen Bote gehandelt hat. Auch der Zusatz „i.A.“ ändert in der Regel nichts an der Formwirksamkeit der Kündigung.

(BAG Urteil vom 13.12.2007, 6 AZR 145/07)

Praxistipp:

  • Verletzt ein Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sollte der Arbeitgeber sich stets überlegen, ob er darauf mit einer Abmahnung oder bereits einer Kündigung reagieren möchte. Eine bereits ausgesprochene Abmahnung schließt nämlich eine Kündigung wegen derselben Pflichtverletzung aus.
  • Zu beachten ist außerdem, dass verhaltensbedingte Kündigungen – sofern das KSchG Anwendung findet – in der Regel einer vorherigen Abmahnung wegen einer vergleichbaren Pflichtwidrigkeit bedürfen. Ausgenommen sind nur schwerwiegende Pflichtverletzungen, bei denen der Arbeitnehmer in keinem Fall mit einer Duldung durch den Arbeitgeber rechnen durfte.
  • Außerhalb des Geltungsbereiches des Kündigungsschutzgesetzes wird die Wirksamkeit einer Kündigung nicht auf ihre soziale Rechtfertigung geprüft. Allerdings darf auch in diesem Fall eine Kündigung nicht treuwidrig erfolgen. Das ergibt sich dann aus dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB.
  • Da aber in diesem Fall nicht über die Hintertür das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden darf, ist der Arbeitgeber in der Begründung seiner Kündigung freier.
  • Unzulässig und damit unwirksam sind in der Regel nur Kündigungen, die auf willkürliche oder sittenwidrige Gründe gestützt werden.
  • In keinem Fall bedarf es einer Angabe der Kündigungsgründe bereits im Kündigungsschreiben.