BAG: Geringere Sozialplanabfindung bei vorgezogener Altersrente möglich
In Sozialplänen dürfen für Arbeitnehmer, die Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere Abfindungsansprüche als für die anderen Arbeitnehmer vorgesehen werden. Das gilt auch dann, wenn der Rentenbezug mit Abschlägen verbunden ist. Darin ist weder eine Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes noch ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu sehen.
Der Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten als Baumaschinenführer beschäftigt. Wegen Schließung der Niederlassung kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgemäß zum 31.12.2005. Da dieser im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 60 Jahre alt und schwerbehindert war, hätte er ab dem 01.01.2006 vorgezogene Altersrente beanspruchen können. Trotzdem beanspruchte er zunächst sieben Monate lang Arbeitslosengeld I und erst im Anschluss vorgezogene Altersrente.
Da im Unternehmen ein Rahmensozialplan galt, der für alle Betriebsänderungen abgestufte Leistungen je nach Alter der betroffenen Arbeitnehmer vorsah und danach Arbeitnehmer, die im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, lediglich einen monatlichen Ausgleich i.H.v. 160 beanspruchen können, zahlte die Beklagte dem Kläger nur 5.600 als Ausgleich für die 35-monatige Rentenkürzung. Darüber hinaus wurde keine Abfindung gezahlt.
Der Kläger war der Auffassung, dass ihm ebenfalls die Regelabfindung in Höhe von ca. 52.000 zustand, weshalb er Klage einreichte.
Die Entscheidung
Das BAG wies die Klage ebenso wie bereits die Vorinstanzen ab, da der Kläger keinen weitergehenden Abfindungsanspruch gegen die Beklagte hat.
Die Betriebsparteien dürfen in Sozialplänen für Arbeitnehmer, die Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere Abfindungsansprüche vorsehen. Das gilt auch, wenn der Rentenbezug mit Abschlägen verbunden ist.
Sozialpläne dienen gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern infolge von Betriebsänderungen entstehen. Sozialplanabfindungen kommt daher eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion zu. Dementsprechend können die Betriebsparteien bei der Beurteilung des Umfangs der voraussichtlichen Nachteile Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigen, da diese Arbeitnehmer bereits durch ihren Anspruch auf vorgezogene Altersrente eine wirtschaftliche Absicherung erhalten.
Zwar knüpfen Ansprüche auf vorgezogene Altersrente regelmäßig an ein bestimmtes Lebensalter, das Geschlecht oder eine Schwerbehinderung an. Gleichwohl liegt in ihrer Berücksichtigung durch die Betriebsparteien weder eine Verletzung des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes noch ein Verstoß gegen das Verbot, Personen wegen eines dieser Merkmale zu benachteiligen. Die hierin liegende Ungleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt und begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken.
(BAG, Urteil vom 11.11.2008 – 1 AZR 475/07)
Praxistipp:
- Mit dieser Entscheidung zeigt das BAG erneut, dass auch unter Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes unterschiedliche Behandlungen aufgrund des Lebensalters möglich sind, sofern ein sachlicher Grund vorliegt.
- Die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer aufgrund einer vorhandenen wirtschaftlichen Absicherung wird von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG sogar ausdrücklich genannt.
- Erfreulich ist, dass unter Berücksichtigung dieser sowie der am 06.11.2007 ergangenen Entscheidung des BAG zur Altersgruppenbildung den Betriebsparteien trotz Geltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch ein gewisser Gestaltungsspielraum verbleibt, um beim Abschluss von Sozialplänen sowohl auf die betrieblichen als auch auf die persönlichen Interessen und Gegebenheiten eingehen zu können.