BAG: Geschlechtsspezifische Benachteiligung wegen Schwangerschaft bei einer Stellenbesetzung

Bewirbt sich eine schwangere Arbeitnehmerin um eine Stelle und besetzt der Arbeitgeber, dem die Schwangerschaft bekannt ist, diese Stelle mit einem männlichen Mitbewerber, so hat die Arbeitnehmerin eine geschlechtsspezifische Benachteiligung dann glaubhaft gemacht, wenn sie außer der Schwangerschaft weitere Tatsachen vorträgt, welche eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist bei der Beklagten im Bereich „International Marketing“, dem der „Vizepräsident“ E. vorstand, als eine von drei Abteilungsleitern beschäftigt. Im September 2005 wurde die Stelle des E. frei. Die Beklagte besetzte diese mit einem männlichen Kollegen und nicht mit der schwangeren Klägerin.

Diese begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts. Sie habe die Stelle wegen ihrer Schwangerschaft nicht erhalten. Bei der Bekanntgabe dieser Entscheidung sei sie auf ihre Schwangerschaft angesprochen worden.

Die Beklagte behauptet, für die getroffene Auswahl sprächen sachliche Gründe.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

Er hat angenommen, die Klägerin habe Tatsachen vorgetragen, die ihre geschlechtsspezifische Benachteiligung nach § 611a Abs. 1 BGB (gültig bis 17. 08. 2006) vermuten lassen können. So habe die Beklagte die Schwangerschaft der Klägerin gekannt. Die weiteren Behauptungen der Klägerin, sie sei Vertreterin des E. gewesen und dieser habe ihr auch seine Nachfolge in Aussicht gestellt, muss das Landesarbeitsgericht ebenso berücksichtigen wie die Behauptung der Klägerin, sie sei bei der Mitteilung ihrer Nichtberücksichtigung damit getröstet worden, dass sie sich auf ihr Kind freuen solle.

(Pressemitteilung BAG, Urteil vom 24. April 2008 – 8 AZR 257/07)

Praxistipp:

  • Will ein Arbeitnehmer einen Entschädigungsanspruch wegen einer Diskriminierung durch den Arbeitgeber geltend machen, so ist die Beweislastverteilung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu beachten.
  • Zunächst muss der Arbeitnehmer Indizien beweisen, die eine Benachteiligung durch den Arbeitgeber wegen eines Diskriminierungsgrundes vermuten lassen.
  • Anschließend kann der Arbeitgeber diese Indizien entkräften indem er beweist, dass keine Benachteiligung gerade wegen eines Diskriminierungsgrundes vorliegt oder eine Benachteiligung zumindest gerechtfertigt ist.
  • Erstmals hat das BAG über die Anforderungen an den Indizienbeweis entschieden, die der Arbeitnehmer erfüllen muss.
  • Bei einer geschlechtsspezifischen Benachteiligung reicht alleine die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin nicht aus.
  • Es müssen weitere Tatsachen vorgetragen werden, die eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vermuten lassen.
  • An diesen weiteren Tatsachenvortrag sind keine strengen Anforderungen zu stellen.
  • Diese Entscheidung bezieht sich noch auf § 611a BGB, der inzwischen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) abgelöst wurde. Trotzdem kann sie als Grundlage für die Frage der Beweislastverteilung nach § 22 AGG dienen.
  • Das BAG stärkt durch diese Entscheidung die Position des Arbeitnehmers bei der Beweislast als Weichenstellung für einen Entschädigungsanspruch.
  • Hat der Arbeitgeber nun nicht ausreichend dokumentiert, aus welchen anderen Gründen keine Benachteiligung vorliegt, so kann er einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers kaum abwenden.
  • Rechtfertigungsgründe für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts werden nur in Ausnahmefällen vorliegen.