BAG: Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung bei Austausch von Arbeitnehmern durch Subunternehmer als freie Unternehmerentscheidung

Umgestaltungen eines Betriebes sind in der Regel als freie Unternehmerentscheidung von den Gerichten nicht auf ihre organisatorische oder betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit zu prüfen, sondern allein darauf, ob sie willkürlich oder sonst rechtsmissbräuchlich erfolgt sind. Darunter fällt auch der Entschluss des Arbeitgebers bisher von seinen Arbeitnehmern ausgeübte Tätigkeiten in Zukunft durch selbständige Subunternehmer ausführen zu lassen.

Der Sachverhalt

Die Beklagte, ein Unternehmen der Städtewerbung, beschäftigte den Kläger seit Anfang 2001 als sog. „Moskito-Anschläger“. Als „Moskitos“ werden Klapprahmen bezeichnet, die z.B. an Schaltkästen im öffentlichen Raum befestigt sind und in die Werbeplakate eingespannt werden. Aus wirtschaftlichen Erwägungen entschloss sich die Beklagte im Jahr 2004, die Anschläge nicht mehr durch eigene Arbeitnehmer, sondern durch selbständige Subunternehmer anbringen zu lassen. In einem mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich war festgelegt, dass den als „Moskito-Anschlägern“ beschäftigten Arbeitnehmern gekündigt und eine Beschäftigung als selbständige Unternehmer angeboten werden sollte.

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen die ihm und den übrigen Plakatanschlägern daraufhin erklärte fristgerechte Kündigung. Er macht geltend, dass die Vergabe der Plakatierungsarbeiten nicht zum Wegfall seines Arbeitsplatzes geführt habe. Außerdem seien die „Subunternehmer“ weisungsgebunden tätig und als Arbeitnehmer der Beklagten anzusehen.

Die Entscheidung

Die Klage blieb wie schon in den Vorinstanzen auch vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam betriebsbedingt gekündigt.

Betriebsbedingte Gründe, die eine ordentliche Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG rechtfertigen, liegen vor, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfällt. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Betrieb reorganisiert und nach dem neuen Konzept die bisherige Tätigkeit nicht mehr anfällt. Die Umgestaltung wird als sog. freie Unternehmerentscheidung von den Gerichten nicht auf ihre organisatorische oder betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit überprüft, sondern allein darauf, ob sie willkürlich oder sonst missbräuchlich erfolgt ist.

Entschließt sich der Arbeitgeber, bisher von Arbeitnehmern ausgeübte Tätigkeiten in Zukunft nicht mehr durch Arbeitnehmer, sondern durch Selbständige ausführen zu lassen, so entfällt in diesem Umfang das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für Arbeitnehmer und ein betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt vor.

Die von der Beklagten vorgenommene Umstrukturierung war nicht willkürlich oder sonst rechtsmissbräuchlich, sondern es sprachen nachvollziehbare Erwägungen dafür.

Die den bisher als „Moskito-Anschlägern“ angebotenen Verträge sind keine Arbeitsverträge. Die Subunternehmer, die nach diesen Verträgen für die Beklagte tätig werden sollen, unterliegen nicht dem für Arbeitsverhältnisse kennzeichnenden Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Ort und Art und Weise der Arbeitsleistung. Die Leistungen müssen auch nicht in Person erbracht werden, sondern können ebenso durch Dritte ausgeführt werden.

(BAG Urteil vom 13.03.2008, 2 AZR 1037/06)

Praxistipp:

  • Das BAG bestätigt damit wieder seine ständige Rechtssprechung zu dem aus Art. 2 Abs. 1, 12 und 14 GG hergeleiteten Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung.
  • Da das wirtschaftliche Risiko für die zweckmäßige Einrichtung und Gestaltung des Betriebes beim Arbeitgeber liegt, ist seine Entscheidung gerichtlich nicht auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen.
  • Gerichtlich überprüfbar ist nur, ob eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich getroffen wurde und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist.
  • Etwas anderes gilt nur, wenn die Unternehmerentscheidung offensichtlich missbräuchlich und willkürlich ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierzu trägt aber grundsätzlich der Arbeitnehmer.
  • Strengere Überprüfungsmaßstäbe gelten lediglich bei Unternehmerentscheidungen, die einzig und allein die Entschließung zur Personalreduzierung zum Gegenstand haben.
  • Wichtig für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung ist auch, dass die Umsetzung der Unternehmerentscheidung die Kündigung dringend erforderlich macht.