BAG: Unwirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel

Der Anspruch auf eine Leistung des Arbeitgebers, die durch betriebliche Übung entstanden ist, kann nicht durch den Verweis auf eine im Arbeitsvertrag enthaltene doppelte Schriftformklausel versagt werden. Diese doppelte Schriftformklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

Der Sachverhalt

Der Kläger war von Mai 2002 bis zum 31. März 2006 für die Beklagte als Büroleiter in China mit dortigem Wohnsitz beschäftigt. Die Beklagte erstattete ihm und den anderen dort tätigen Mitarbeitern die Kosten für die Miete. Ab August 2005 verweigerte sie dem mittlerweile gekündigten Kläger die Fortsetzung dieser Übung unter Berufung auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Schriftformklausel. Nach dem Formular-Arbeitsvertrag bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Vertrags sowie der Verzicht auf das Schriftformerfordernis der Schriftform (doppelte Schriftformklausel).

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers auf die Zahlung der Mietkosten bejaht, obwohl im Formular-Arbeitsvertrag eine doppelte Schriftformklausel enthalten war und die Mietzahlung aufgrund betrieblicher Übung erfolgte.

Vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsvertragsklauseln sind gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 305 b BGB haben individuelle Vertragsabreden vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorrang.

Nach Auffassung des BAG erfolgt der Erstattungsanspruch der Mietkosten des Klägers aus betrieblicher Übung. Er wurde also nicht schriftlich vereinbart. Die im Arbeitsvertrag enthaltene doppelte Schriftformklausel ist nach Auffassung des BAG zu weit gefasst und daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie erwecke beim Arbeitnehmer entgegen der Schutzvorschrift des § 305 b BGB den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam. Deshalb benachteilige diese Klausel den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist aus diesem Grund unwirksam.

(BAG, Urteil vom 20.05.2008 – 9 AZR 382/07)

Praxistipp:

  • Für die Frage, ob eine betriebliche Übung durch eine arbeitsvertragliche Schriftform-Klausel außer Kraft gesetzt werden kann, differenzierte das BAG in seiner bisherigen Rechtsprechung.
  • Einfache Schriftformklauseln können nach Auffassung des BAG durch betriebliche Übung formfrei abbedungen werden (zuletzt BAG 20.01.2004).
  • Eine doppelte Schriftformklausel sollte nach früherer Rechtsprechung des BAG generell die Entstehung einer betrieblichen Übung ausschließen (BAG 24.06.2003).
  • Argumentiert hat das BAG damit, dass in der Verwendung der doppelten Schriftformklausel gerade deutlich werde, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen.
  • Von dieser Rechtsprechung rückt das BAG nun offenbar ab und qualifiziert eine doppelte Schriftformklausel zur Unterbindung einer betrieblichen Übung als unangemessene Benachteiligung zu Lasten des Arbeitnehmers.