BAG: Urlaubsabgeltung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit

In Folge einer entsprechenden Entscheidung des EuGH hat nun auch das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Arbeitnehmer, die wegen einer Erkrankung bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses keinen Erholungsurlaub nehmen können, einen Abgeltungsanspruch haben.

Die grundlegende Entscheidung des EuGH

Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG steht nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Schultz-Hoff vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 -) einzelstaatlichen Rechtsvorschriften entgegen, nach denen Arbeitnehmern, die wegen Krankheit den Jahresurlaub nicht in Anspruch nehmen können, am Ende des Arbeitsverhältnisses keine „finanzielle Vergütung“ gezahlt wird. Nationale Rechtsvorschriften dürfen diese Ansprüche nicht untergehen lassen.

Die Entscheidung des BAG

Der Neunte Senat hat § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG bisher so ausgelegt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht erfüllt werden kann. Daran hält der Senat nicht mehr fest.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war von August 2005 bis 31. Januar 2007 als Erzieherin für den beklagten Verein tätig. Sie erlitt im Juni 2006 einen Schlaganfall und war vom 2. Juni 2006 über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zumindest bis August 2007 durchgehend arbeitsunfähig. Die Klägerin verlangt mit ihrer im Januar 2007 zugestellten Klage ua. Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 und 2006.

Die Entscheidung

Der Neunte Senat hat diesen Teilen der Klage im Unterschied zu den Vorinstanzen stattgegeben.

Ansprüche auf Abgeltung gesetzlichen Teil- oder Vollurlaubs erlöschen nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist.

§ 7 Abs. 3 und 4 BUrlG ist im Verhältnis zu privaten Arbeitgebern nach den Vorgaben des Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie gemeinschaftsrechtskonform fortzubilden. Jedenfalls seit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. August 2006 in der Sache Schultz-Hoff (- 12 Sa 486/06 -) besteht kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Senatsrechtsprechung. Gesetzlichen Ansprüchen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfallen waren, steht trotz krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit kein Erfüllungshindernis entgegen.

(Pressemitteilung BAG, Urteil vom 24. März 2009 – 9 AZR 983/07)

Praxistipp:

  • Der EuGH und direkt im Anschluss daran das vorlegende LAG Düsseldorf haben im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des BAG Arbeitnehmern nun einen Urlaubsabgeltungsanspruch zugesprochen, auch wenn sie bis zu Ihrem Ausscheiden arbeitsunfähig erkrankt waren und deshalb den Urlaub bis zum Ende des Übertragungszeitraums (31. März) nicht nehmen konnten.
  • In einem Parallelfall des vorausgehenden LAG Köln ist das BAG nun der Entscheidung des EuGH ausdrücklich gefolgt und von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung abgerückt.
  • Diese Entscheidung betrifft nur den gesetzlichen Urlaubsanspruch, nicht aber tariflichen oder vertraglichen Mehrurlaub.
  • Insbesondere für Langzeitkranke könnte diese Änderung der Rechtsprechung nur ein Pyrrhussieg sein: Nachdem hier für Arbeitgeber ein erheblicher versteckter Kostenblock entsteht, könnte schneller als bisher eine krankheitsbedingte Kündigung ausgesprochen werden.
  • Arbeitgeber genießen Vertrauensschutz zur bisherigen Rechtsprechung des BAG nur bis zum 2. August 2006. Hier war das Vorabentscheidungsersuchen des LAG Düsseldorf bekannt geworden.