LAG Köln: Übergabe von Kündigungen an Ehegatten des Arbeitnehmers außerhalb der Wohnung

Nach bisher herrschender Meinung geht eine Kündigung einer Arbeitnehmerin auch dann zu, wenn der Arbeitgeber diese ihrem Ehegatten an dessen Arbeitsplatz übergibt, da Ehegatten auch außerhalb ihrer Ehewohnung als Empfangsboten anzusehen sind. Dies könnte jedoch eine grundgesetzwidrige Benachteiligung von Eheleuten darstellen.

Der Sachverhalt

Die am 20.01.1981 geborene Klägerin war seit dem 03.02.2003 Arbeitnehmerin der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Am 31.01.2008 kam es am Arbeitsplatz der Klägerin zu einem Konflikt, in dessen Verlauf die Klägerin ihren Arbeitsplatz verließ. Die Beklagte entschied sich, das Arbeitsverhältnis ordentlich zu kündigen und die Klägerin für den Verlauf der Kündigungsfrist von der Arbeitsleistung frei zu stellen.

Die Beklagte ließ das Kündigungsschreiben durch einen Arbeitnehmer in der Weise überbringen, dass dieser den Ehemann der Klägerin, mit dem er seit vielen Jahren befreundet war, an dessen Arbeitsplatz am Nachmittag des 31.01.2008 aufsuchte. Nach Behauptung der Beklagten übergab dieser Arbeitnehmer dem Ehemann der Klägerin das Kündigungsschreiben mit der Bitte, es an seine Frau weiterzuleiten. Dies habe der Ehemann der Klägerin auch zugesagt.

Die Klägerin behauptet dem gegenüber, ihr Ehemann habe dem Arbeitnehmer keinerlei Zusage gemacht, sondern erklärt, dass nicht er, sondern seine Ehefrau in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stünde. Formalitäten möge man intern regeln. Der Arbeitnehmer habe sodann das verschlossene Schreiben am Arbeitsplatz des Ehemannes zurückgelassen. Dort habe es der Ehemann zunächst liegen gelassen und erst am 01.02.2008 mit nach Hause genommen.

Die Klägerin machte geltend, dass ihr das Kündigungsschreiben erst am 01.02.2008 zugegangen sei und damit das Arbeitsverhältnis erst zum 31.03.2008 beendet worden sei. Die Beklagte war dagegen der Auffassung, dass der Zugang bereits am 31.01.2008 erfolgt sei und damit das Arbeitsverhältnis wirksam zum 29.02.2008 gekündigt worden sei.

Die Entscheidung

In seiner Entscheidung gab das LAG der Beklagten Recht. Das Kündigungsschreiben ist der Klägerin bereits mit Übergabe des Schreibens an ihren Ehemann am 31.01.2008 zugegangen. Damit lief die Kündigungsfrist am 29.02.1008 ab.

Das LAG gelangte zu der Überzeugung, dass wohl auch heute noch von einer Verkehrssitte ausgegangen werden kann, wonach der Ehegatte einer Partei als Empfangsbote anzusehen ist. Dabei wird kein Unterschied gemacht, ob der als Empfangsbote eingesetzte Ehegatte außerhalb oder innerhalb der Ehewohnung angetroffen wird. Gelingt es dem Arbeitgeber, das Kündigungsschreiben dem Ehemann zu übergeben, so gilt es ab dem Zeitpunkt, zu dem dieser das Schreiben an seine Frau weiterleiten kann, als zugegangen.

Nach Ansicht des LAG ist es jedoch erwägenswert, ob auch unter heutigen Lebensbedingungen noch von einer Empfangsboteneigenschaft eines Ehegatten ausgegangen werden kann und ob ein Unterschied in der Verkehrssitte zwischen Ehegatten und unverheiratet zusammenlebenden Paaren gerechtfertigt ist. Denn bei unverheiratet zusammenlebenden Partnern wird von einer solchen Verkehrssitte nicht ausgegangen, so dass sich das Verheiratetsein in diesem Zusammenhang als Nachteil herausstellt. Das könnte aber mit dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie unvereinbar sein. Es ließ deshalb wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum BAG zu.

(LAG Köln, Urteil vom 07.09.2009 – 2 Sa 210/09)

Praxistipp:

  • Als Empfangsbote wird regelmäßig eine Person angesehen, die vom Adressaten mit einer ausdrücklichen Empfangsermächtigung ausgestattet wurde. Der Empfangsbote hat die Funktion eines „externen“ Briefkastens. Gelingt es daher ein Schreiben einem Empfangsboten zu übergeben, ist für den Zeitpunkt des Zugangs nur noch derjenige Zeitraum hinzuzurechnen, den der Bote benötigt, um das Schreiben bei regelmäßigem Verlauf der Dinge an den Adressaten auszuhändigen.
  • Der Nachweis, dass der Empfangsbote tatsächlich vom Adressaten zum Empfang von Schriftstücken eingesetzt wurde, ist dann entbehrlich, wenn nach der Verkehrssitte davon ausgegangen werden kann, dass aufgrund des persönlichen Verhältnisses die Empfangsberechtigung regelmäßig gegeben ist. Das ist nach bislang herrschender Auffassung bei Ehegatten der Fall.
  • Gegen eine solche Empfangsboteneigenschaft kraft Verkehrssitte spricht allerdings, dass gerade bei nachteiligen Schriftstücken der Empfangsbote in einen Gewissenskonflikt gerät, ob er eigenmächtig versuchen soll, den Zugang zu verzögern. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass dem Adressaten auch bei mutwillig veranlassten Verzögerungen ein fristgerechter Zugang zugerechnet wird.
  • Ungeklärt ist zur Zeit auch noch, ob und wie ein Ehegatte, der kraft Verkehrssitte als Empfangsbote angesehen wird, diese Eigenschaft selbständig wieder beseitigen kann und ob die deutliche Erklärung, aus der hervorgeht, dass der Ehegatte sich weigert, als Empfangsbote tätig zu werden, hierfür ausreicht.