ArbG Stuttgart: Pflegezeit kann nicht auf mehrere Zeiträume aufgeteilt werden

Die Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG kann pro pflegebedürftigem nahen Angehörigen nur ein Mal ununterbrochen bis zu einer Gesamtdauer von längstens sechs Monaten beansprucht werden. Eine Aufteilung der sechs Monate auf verschiedene Zeiträume ist nicht möglich.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.01.1986 seit dem 01.04.1986 als Betriebsmittelkonstrukteur bei der Beklagten angestellt. Die Mutter des Klägers wurde mit Wirkung ab 01.02.2005 nach der Pflegestufe I als pflegebedürftig anerkannt.

Der Kläger hat am 19.02.2009 der Beklagten die Pflege seiner pflegebedürftigen Mutter für den Zeitraum vom 15.06. bis 19.06.2009 mitgeteilt, was die Beklagte ihm bestätigt hat.

Der Kläger zeigte mit Schreiben vom 09.06.2009 erneut an, dass er seine pflegebedürftige Mutter vom 28.12.2009 bis zum 29.12.2009 pflegen werde, was die Beklagte nicht bestätigt hat, da der Kläger von seinem Recht auf Freistellung zur Pflege seiner Mutter bereits einmal Gebrauch gemacht habe. Stattdessen wurde für den Zeitraum 28./29.12.2009 eine unbezahlte Freistellung des Klägers angeboten.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Anspruch auf Pflegezeit für höchstens 6 Monate bestehe und zwar für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen. Dieser Anspruch sei noch nicht erschöpft. Dieser könne auch mehrmals bis zur Erreichung der Pflegehöchstdauer geltend gemacht werden. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Pflegezeit nur einmal geltend gemacht werden könne.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen, ließ aber die Berufung zum LAG zu, da zu dieser Frage noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung ergangen ist.

Der Kläger kann nicht ein zweites Mal Pflegezeit – diesmal für den Zeitraum 28.12.2009 bis 29.12.2009 – nach § 3 Pflegezeitgesetz beanspruchen, da er diesen Anspruch nur einmal geltend machen kann, und diesen bereits im Zeitraum 15.06. bis 19.06.2009 verbraucht hat. Ihm steht nach Maßgabe von § 3 Pflegezeitgesetz nur einmalig eine Pflegezeit pro pflegebedürftigen nahen Angehörigen zu. Eine Aufteilung der Pflegezeit-Höchstdauer von sechs Monaten auf verschiedene Zeiträume scheidet damit aus.

Die Bestimmung in § 4 Abs. 1 PflegeZG ist § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG nachgebildet. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 PflegeZG regeln ausdrücklich nur die Verlängerung der Pflegezeit, jedoch nicht die Aufteilung auf mehrere Zeitabschnitte, zwischen denen eine Unterbrechung liegt. Insofern weicht die Regelung des Pflegezeitgesetzes von der entsprechenden Regelung der Elternzeit ab. Auch deutet der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 („längstens 6 Monate“) auf einen einheitlichen, ununterbrochenen Zeitraum hin. Das Pflegezeitgesetz hat im Unterschied zu den Regelungen der Elternzeit die Bestimmung nach dem Regelungsvorbild des § 16 Abs. 1 Satz 5 BEG nicht übernommen, wonach die Elternzeit auf mehrere Zeitabschnitte verteilt werden kann.

Des Weiteren spricht gegen eine mehrmalige Inanspruchnahme der Pflegezeit auch der Sonderkündigungsschutz gemäß § 5 PflegeZG. Danach genießen Arbeitnehmer bereits mit der Ankündigung der Pflegezeit oder kurzzeitigen Arbeitsverhinderung bis zu deren Beendigung Sonderkündigungsschutz. Könnte ein Arbeitnehmer die Pflegezeit von sechs Monaten beliebig aufteilen, könnte er durch ein geschicktes zeitliches Verteilen von Ankündigung und Durchführung von mehreren Pflegezeiten einen durchgehenden Sonderkündigungsschutz gemäß § 5 PflegeZG erlangen. Mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes ist dies jedoch nicht zu vereinbaren.

(ArbG Stuttgart, Urteil vom 24.09.2009 – 12 Ca 1792/09)

Praxistipp:

  • Das Pflegezeitgesetz sieht ausdrücklich zwei verschiedene Arten von Arbeitsfreistellungen vor: Erstens eine Freistellung von bis zu zehn Tagen bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung gemäß § 2 PflegeZG, um in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder um eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Zweitens eine Freistellung von bis zu sechs Monaten gemäß § 3 PflegeZG, um selbst die längerfristige Pflege des nahen Angehörigen zu übernehmen.
  • Bei der Inanspruchnahme der Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG kann nach Wahl des Beschäftigten eine vollständige oder eine teilweise Freistellung verlangt werden.
  • Bei der vollständigen Freistellung bedarf es keiner Zustimmung des Arbeitgebers, sofern die Voraussetzungen vorliegen und die Pflegezeit ordnungsgemäß angekündigt wurde.
  • Die teilweise Freistellung ist hingegen von der Zustimmung des Arbeitgebers abhängig, die er jedoch nur aus dringenden betrieblichen Gründen verweigern kann.
  • Auch bei einer berechtigten Ablehnung der teilweisen Freistellung durch den Arbeitgeber kann der Arbeitnehmer jederzeit sein Recht auf eine – einseitige – vollständige Freistellung durchsetzen.
  • Das PflegeZG sieht keine Wartezeiten vor, d.h. auch ein neu eingestellter Arbeitnehmer kann danach eine Freistellung verlangen und damit gegebenenfalls die Wartezeit von sechs Monaten bis zur Geltung des Kündigungsschutzgesetzes überbrücken.
  • Anspruchsberechtigt sind auch geringfügig Beschäftigte oder befristete Arbeitnehmer.