LAG Niedersachen: Kein Teilnahmeanspruch des Betriebsrats bei normalen Personalgesprächen

Nach Auffassung des LAG Niedersachen haben Betriebsräte ohne die Zustimmung der Betroffenen keinen Anspruch auf Teilnahme an Personalgesprächen, in denen keine mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten erörtert werden. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts genießt in derartigen Fällen Vorrang vor den kollektivrechtlich vorgesehenen Beteiligungsrechten des Betriebsrats.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Mitarbeiter beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.06.2005 wurde er zu einem Personalgespräch am 14.07.2005 geladen. Zu diesem Gespräch erschien der Kläger mit einem Betriebsrat seines Vertrauens.

In dem Raum waren neben zwei Mitarbeitern des Personalwesens auch zwei Mitglieder des vom Betriebsrat gebildeten Personalausschusses anwesend. Außerdem lag auf dem Tisch die Personalakte des Klägers. Der Kläger erklärte daraufhin der Beklagten, dass er zu einem Gespräch nur bereit sei, wenn die beiden Personalausschussmitglieder den Raum verlassen würden, da er ihnen nicht vertraue. Die Beklagte ließ daraufhin das Gespräch nicht stattfinden.

Mit Datum vom 19.07.2005 erhielt der Kläger sodann eine Abmahnung, weil er sich am 06.06.2005 erst 15 Minuten nach Schichtbeginn krank gemeldet habe.

In den anschließenden Verfahren vor dem Arbeitsgericht und dem LAG Niedersachen verlangt der Kläger unter anderem, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, an Personalgesprächen andere als von ihm hinzugezogene Betriebsratsmitglieder zu beteiligen sowie es zu unterlassen, dem Betriebsrat außerhalb mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten seine Personaldaten oder sonstige Informationen über ihn bzw. seine Personalakte zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte beruft sich auf die umfassenden Kontroll-, Informations- und Teilnahmerechte des Betriebsrats auch außerhalb der Mitbestimmungsrechte im engeren Sinne.

Die Entscheidung

Das LAG Niedersachen hat entschieden, dass der Arbeitgeber es zu unterlassen hat, an Personalgesprächen außerhalb mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten gegen den Willen des Arbeitnehmers Mitglieder des Betriebsrates oder Personalausschusses teilnehmen zu lassen.

Die Ausgestaltung vertraglicher Leistungspflichten sowie die Rechte des Arbeitgebers bei deren Verletzung unterliegen grundsätzlich nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Da im vorliegenden Fall Inhalt des Personalgesprächs die Erteilung einer Abmahnung und damit eine nichtmitbestimmungspflichtige Angelegenheit war, war die Beklagte nicht berechtigt, die beiden Personalausschussmitglieder gegen den Willen des Klägers zu dem Gespräch hinzuzuziehen.

Bei der gebotenen Güterabwägung genießt in solchen Fällen der Schutz des Persönlichkeitsrechts Vorrang vor den kollektivrechtlich vorgesehenen Beteiligungsrechten des Betriebsrats. Die Interessen des Betriebsrats bzw. Personalausschusses sind dann auf reine Information beschränkt. Diese Information kann aber auch schriftlich oder mündlich durch den Arbeitgeber erfolgen. Eine Notwendigkeit, dass der Betriebsrat bereits an der Gewinnung der Information beteiligt wird, besteht nicht.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Personalgespräch mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten zum Gegenstand hat, da dann dem Informationsrecht des Betriebrats ein größeres Gewicht zukommt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer nicht generell den Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern verlangen.

Ferner hat es der Arbeitgeber zu unterlassen, dem Betriebsrat außerhalb mitbestimmungspflichtiger Vorgänge die vollständige Personalakte des Arbeitnehmers ohne dessen Genehmigung zur Verfügung zustellen.

Allerdings kann der Kläger nicht verlangen, dass die Beklagte dem Betriebsrat bzw. dessen Ausschüssen und Mitgliedern generell keinerlei Informationen über seine persönlichen Verhältnisse offenbart. Das folgt aus dem umfassenden Informationsanspruch des Betriebsrates aus § 80 BetrVG.

(Entscheidung des LAG Niedersachen vom 22.01.2007, 11 Sa 614/06)

Praxistipp:

  • Der Arbeitnehmer ist zur Teilnahme an einem vom Arbeitgeber gewünschten Personalgespräch verpflichtet (LAG Niedersachen 11 Sa 614/06).
  • Ebenso ergibt sich aus § 82 Abs. 1 BetrVG eine Verpflichtung des Arbeitsgebers, den Arbeitnehmer in betrieblichen Angelegenheiten, die seine Person betreffen, anzuhören.
  • Sofern die Ausübung des Erörterungsrechts nach § 82 II BetrVG (Erläuterung der Berechnung und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts, die Leistungsbeurteilung sowie die Möglichkeiten einer beruflichen Entwicklung im Betrieb) betroffen ist, kann der Arbeitnehmer ein Mitglied des Betriebsrates zu dem Gespräch hinzuziehen.
  • Voraussetzung dabei ist, dass der Gesprächsgegenstand sich zumindest teilweise auf die genannten Themen erstreckt.
  • Ein allgemeiner Anspruch auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds zu Personalgesprächen besteht dagegen nicht, vgl. BAG v. 16.11.2004, 1 ABR 53/03.
  • Die zahlreichen Informationsansprüche des Betriebsrates aus dem BetrVG (z.B. §§ 75, 80 II, 81, 90 BetrVG) genießen bei der bloßen Informationsweitergabe an den Betriebrat in der Regel Vorrang vor dem Vertraulichkeitsinteresse des Arbeitnehmers.
  • Bei mitbestimmungspflichtigen Inhalten eines Personalgesprächs hat der Betriebsrat ein Teilnahmerecht, bei mitbestimmungsfreien Themen dagegen nicht.