ArbG Berlin: Nichtberücksichtigung eines ausländischen Bewerbers wegen unzureichender Deutschkenntnisse ist keine Diskriminierung nach dem AGG

Die Nichtberücksichtigung eines ausländischen Stellenbewerbers mit „Migrationshintergrund“ wegen mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache ist für sich genommen keine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft und begründet daher keinen Entschädigungsanspruch nach dem AGG.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist britischer Staatsbürger und lebt seit 2004 in Berlin. Seit Oktober 2006 ist er arbeitslos und Arbeit suchend. Nachdem am 03.05.2007 ein Vorstellungsgespräch bei der Beklagten, einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb, stattgefunden hatte, wurde für den 07.05.2007 ein Probearbeitstag vereinbart. Die weiteren Vorgänge sind zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte ihn nach wenigen Minuten weggeschickt habe, weil er nicht genug Deutsch spreche. Er ist der Auffassung, er sei wegen seiner ethnischen Herkunft als geborener Engländer und der damit verbundenen eingeschränkten bzw. mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache bei der Einstellung im Sinne von § 1 AGG benachteiligt worden. Deshalb macht er gemäß § 15 Abs. 2 AGG von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern und damit € 4.160,00 geltend.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, dass die Kenntnis der deutschen Sprache für sie kein Einstellungskriterium gewesen sei, sondern es an den elementarsten Grundkenntnissen beim Umgang mit Maschinen gefehlt hätte. Deshalb sei der Kläger nach wenigen Minuten Probearbeit wieder nach Hause geschickt worden. Im Übrigen ist sie der Meinung, dass fehlende Deutschkenntnisse ohnehin kein durch das AGG geschütztes Rechtsgut seien.

Die Entscheidung

Das ArbG Berlin hat die Klage abgewiesen und damit einen Entschädigungsanspruch des Klägers gem. § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner ethnischen Herkunft verneint.

Die Nichteinstellung des Klägers ist nicht wegen seiner britischen Staatsangehörigkeit, seiner englischen Muttersprache oder etwa eines englischen Akzents erfolgt.

Auch nach der von der Beklagten bestrittenen Version des Klägers erfolgte die Zurückweisung bestenfalls aufgrund der mangelnden deutschen Sprachkenntnisse. Es geht hier nicht um die (Mutter)Sprache des Klägers als Ausdruck und Merkmal seiner ethnischen Zugehörigkeit, sondern um seine Sprachkenntnisse in einer anderen (Fremd)Sprache.

Die Zurückweisung eines ausländischen Stellenbewerbers allein aus diesem Grund hat aber mit seiner spezifischen ethnischen Herkunft grundsätzlich nichts zu tun. Eine Benachteiligung kann nur bei Vorliegen weiterer Indizien angenommen werden, die für eine unter dem Deckmantel mangelnder Sprachkenntnisse vorliegende Ausländerfeindlichkeit oder gewollte Diskriminierung von Ausländern sprechen. Dafür bestehen hier aber keine Anhaltspunkte, zumal sich die Belegschaft der Beklagten branchentypisch sogar zu einem großen Teil aus Mitarbeitern ausländischer, insbesondere türkischer Herkunft zusammensetzt.

Auf der Grundlage seines Vorbringens wäre zwar insoweit eine Benachteiligung des Klägers als Ausländer mit unvollkommenen Kenntnissen der deutschen Sprache im Verhältnis zu im deutschen Sprachraum aufgewachsenen Bewerbern gegeben. Das AGG sanktioniert aber nicht jede Benachteiligung, sondern nur Diskriminierungen aus bestimmten, in § 1 AGG abschließend aufgezählten Gründen. Ein solcher Grund war hier nicht einschlägig, so dass die Klage abzuweisen war.

(ArbG Berlin Urteil vom 26.09.2007, 14 Ca 10356/07)

Praxistipp:

  • Der Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG gewährt grundsätzlich einen Anspruch in Geld unabhängig vom Verschulden des Arbeitgebers.
  • Voraussetzung ist jedoch der Verstoß gegen ein in § 1 AGG aufgeführtes Diskriminierungsmerkmal. Bei der abschließenden Aufzählung handelt es sich dabei um Benachteiligungen wegen der Rasse, des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Identität sowie einer Behinderung.
  • Benachteiligungen aus anderen Gründen werden nicht vom AGG erfasst und können daher auch keinen Entschädigungsanspruch nach dem AGG begründen.
  • Damit steht es dem Arbeitgeber auch unter Geltung des AGG frei, seine Stellenbesetzung an eigene, gerichtlich nicht überprüfbare Vorstellungen über Deutschkenntnisse zu knüpfen.
  • Allerdings ist im Einzelfall Vorsicht geboten und bedarf sorgfältiger Prüfung, ob nicht daneben Indizien für eine darüber hinausgehende Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmals vorliegen.
  • Zwar ist das Urteil des ArbG Berlin rechtskräftig. Das schließt allerdings eine gegenteilige Entscheidung durch ein anderes Instanzgericht oder schließlich durch das BAG in einem ähnlich gelagerten Fall nicht aus.
  • Insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Benachteiligung gemäß § 3 Abs. 2 AGG könnte davon ausgegangen werden, dass mangelhafte Deutschkenntnisse nur dem Anschein nach ein neutrales Kriterium darstellen. Zu bedenken ist nämlich, dass tatsächlich überproportional häufig Bewerber nichtdeutscher Herkunft davon betroffen sind.
  • In diesem Fall käme es darauf an, ob sachliche Gründe es rechtfertigen, auf die Deutschkenntnisse des Bewerbers abzustellen, insbesondere ob der zu besetzende Arbeitsplatz diese erfordert.