ArbG Frankfurt am Main: Höchstaltersgrenzen für unbefristete Einstellungen allein aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen begründen einen AGG-Verstoß wegen Altersdiskriminierung

Eine befristet angestellte Stewardess hatte sich auf eine unbefristete Stelle als Flugbegleiterin bei Lufthansa beworben. Wegen Ihres Alters (46 Jahre) wurde sie jedoch abgelehnt. Die Lufthansa hatte dabei argumentiert, dass das wirtschaftliche Risiko krankheitsbedingter Ausfälle bei älteren Arbeitnehmern wesentlich höher sei und damit dem Unternehmen nicht zumutbar wäre. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main sah das anders und stellte einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fest, der einen Entschädigungsanspruch der Stewardess in Höhe von € 4.050,– begründet.

Der Sachverhalt

Die Klägerin im Streitfall macht einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend. Sie war vom 23.05. bis 22.11.2006 bei der Lufthansa befristet als Flugbegleiterin angestellt, zuvor nahm sie an einer Schulung für Flugbegleiter teil. Allen Teilnehmern des Lehrgangs wurde nach Ablauf der befristeten Tätigkeit ein unbefristeter Arbeitsvertrag in Aussicht gestellt. Bis auf die Klägerin wurden dann auch alle unbefristet übernommen, wobei weder die fachliche noch die persönliche Eignung der Klägerin für die Tätigkeit als Flugbegleiterin jemals in Frage gestellt wurde.

Die Ablehnung wurde mit der Systematik der Übergangsversorgung für das Kabinenpersonal begründet, wonach bei Flugdienstuntauglichkeit eines im fliegerischen Arbeitsverhältnis tätigen Mitarbeiters nach Vollendung des 45. Lebensjahres bis zum Erreichen der frühestmöglichen Inanspruchnahme der Rente eine Firmenrente zur Überbrückung gezahlt wird. Nach dem Vortrag der Lufthansa erhöht sich ab dem 45. Lebensjahr das Risiko, eine Rente wegen Flugdienstuntauglichkeit zahlen zu müssen, da nach einer von ihr gefertigten Analyse ab diesem Alter mehr Flugbegleiter flugdienstuntauglich würden. Damit würde das gesamte System der Übergangsversorgung in Frage gestellt, dessen Gewährleistung jedoch im allgemeinen Interesse aller Flugbegleiter stehe.

Nach Auffassung der Lufthansa ist diese Vorgehensweise durch § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG (Möglichkeit der Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor Eintritt in den Ruhestand) gerechtfertigt, da ab einem gewissen Alter keine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung im Sinne dieser Norm mehr vorliege und außerdem die von ihr mit der Höchstaltersgrenze verfolgten Ziele der Wirtschaftlichkeit und der Gewährleistung der Funktion des Firmenrentenmodells eine Ungleichbehandlung wegen Alters zumindest gem. § 10 Satz 1 und 2 AGG zulässig machten.

Nach Auffassung der Klägerin fehlt es an einer Rechtfertigung für die Einstellungsbedingungen der Lufthansa, die bei der Einstellung von Flugbegleitern eine Altersgrenze von 40 Jahren und 364 Tagen vorsehen. Die Lufthansa könne nicht ihr wirtschaftliches Risiko auf sie verlagern.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgerichts Frankfurt gab der Klägerin Recht und verurteilte die Lufthansa wegen verbotener Altersdiskriminierung zur Zahlung einer Entschädigung. Als Entschädigungshöhe hielt das Gericht drei Bruttomonatsgehälter für angemessen.

Rechtfertigungsgründe liegen weder nach § 10 Satz 3 Nr. 3 Hs. 2 AGG noch nach § 10 Satz 1 und 2 AGG vor. Nach Ansicht des Gerichts ist eine angemessene Beschäftigungszeit bei einem Eintritt mit 46 Jahren ohne weiteres gegeben, selbst dann, wenn von einem Renteneintritt mit 55 Jahren ausgegangen wird. Eine entsprechende Rechtfertigung der Vorgehensweise der Lufthansa darin zu sehen, dass es eventuell an einer angemessenen Beschäftigungszeit vor Eintritt in eine dauernde Flugdienstuntauglichkeit fehlen könnte, lehnt das Gericht mangels Regelung ab.

Ebenso wenig erkennt das Gericht ein legitimes Ziel der Lufthansa an, das die unterschiedliche Behandlung der Stewardessen wegen Ihres Alters rechtfertigen könnte. Denn bei beiden vorgetragenen Zielen der Lufthansa handelt es sich um rein individuelle Unternehmensinteressen, wobei weder das allein wirtschaftliche Interesse, einem Arbeitnehmer nicht Leistungen gewähren zu müssen, ohne dass dieser zuvor seine Arbeitskraft in einer Weise eingebracht hat, die sich für das Unternehmen rechnet, noch die Gewährleistung der Funktion der Firmenrente aufgrund bloßer Wahrscheinlichkeiten und Prognosen, ein legitimes Ziel darstellen. Das wirtschaftliche Risiko möglicher Zahlungen bei Arbeitsunfähigkeit dürfe nämlich gerade nicht zum Maßstab für die Auswahl von Bewerbern gemacht werden.

(Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29. Mai 2007 – 11 Ca 8952/06)

Praxistipp:

  • Um Entschädigungsansprüche zu vermeiden, sind unterschiedliche Behandlungen der Mitarbeiter wegen des Alters sorgfältig zu prüfen.
  • An die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen Alters gem. § 10 AGG werden von der Rechtssprechung hohe Anforderungen gestellt. Bloße wirtschaftliche Interessen eines Unternehmens reichen in der Regel zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nicht aus.
  • Mit der Mitteilung von Gründen, weshalb ein befristetes Arbeitsverhältnis nicht in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt wird, sollte sehr zurückhaltend verfahren werden, zumal es für die Nichtverlängerung eines befristeten Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden, sollten Gründe, die mit einem Diskriminierungsmerkmal in Verbindung stehen, nicht genannt werden.