ArbG Lörrach: Diebstahl von sechs Maultaschen kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Der Diebstahl von sechs Maultaschen aus übriggebliebener Bewohnerverpflegung durch eine Altenpflegerin ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn ein ausdrückliches und der Arbeitnehmerin auch bekanntes Verbot hinsichtlich der Verwertung von Resten durch das Personal besteht.

Der Sachverhalt

Die 58-jährige, verheiratete Klägerin war seit 1992 bei der Beklagten, einer rechtsfähigen Stiftung öffentlichen Rechts, als Altenpflegerin beschäftigt und ordentlich unkündbar.

Bereits mit Aushang vom 20.09.2002 hatte die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Personal Reste aus der Bewohnerverpflegung immer an die ausliefernde Küche zurückgeben muss und ein Verzehr durch Mitarbeiter nicht gestattet ist. Es steht jedoch auf Wunsch eine Personalverpflegung zur Verfügung, deren Kosten durch einen Zuschuss des Arbeitgebers reduziert sind.

Obwohl der Klägerin dieses Verbot bekannt war, entwendete sie am 21.04.2009 einige Maultaschen, die von der Bewohnerverpflegung übrig geblieben waren. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Personalrats am 30.04.2009 fristlos.

Hiergegen hat die Klägerin Kündigungsschutzklage eingereicht und trägt vor, dass es sich lediglich um drei oder vier Maultaschen gehandelt habe, so dass eine außerordentliche Kündigung unverhältnismäßig sei. Außerdem habe sie die Maultaschen nicht zur Bevorratung entwendet, sondern zum sofortigen Verzehr, da sie starken Hunger gehabt hätte. Aufgrund einer noch anstehenden Schulung am Nachmittag habe sie keine Gelegenheit mehr gehabt, sich anderweitig etwas zu besorgen. Auch wäre es unter der gesamten Belegschaft üblich, dass Reste aus der Bewohnerverpflegung vom Personal gegessen werden würden.

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Für die Kündigung bestand ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Absatz 1 BGB, so dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung beendet wurde.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand fest, dass die Klägerin nicht wie von ihr behauptet drei oder vier Maultaschen zum sofortigen Verzehr entwendet hatte, sondern sechs Maultaschen in einer Schale in eine Stofftasche gepackt hatte, um sie mit nach Hause zu nehmen.

Ihre pauschale Behauptung, dass ein derartiges Verhalten üblich sei, hat sie nicht näher belegen können.

Bei den sechs Maultaschen handelt es sich zwar um eine geringwertige Sache, allerdings könne auch der Diebstahl geringwertiger Sachen zu Lasten des Arbeitgebers eine fristlose Kündigung rechtfertigen, zumal hier ein ausdrückliches Verbot zum Resteverzehr durch das Personal bestand und dieses Verbot der Klägerin auch bekannt war.

Auch wenn der Arbeitgeber entscheidet, die Reste als Abfall zu entsorgen, ist es allein seine Entscheidung wie er mit seinem Eigentum umgeht. Über diese Entscheidung kann sich ein Arbeitnehmer nicht nach eigenem Gutdünken hinwegsetzen.

Auch die vorzunehmende Interessenabwägung fällt zuungunsten der Klägerin aus, so dass die Kündigung auch nicht unverhältnismäßig ist. Die Klägerin kann zwar eine lange Betriebszugehörigkeit aufweisen und zudem wurde berücksichtigt, dass sie aufgrund ihres Alters schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Dem steht jedoch der mit dem Diebstahl verbundene Vertrauensverlust auf Seiten der Beklagten gegenüber, der schwerer wiegt. Die Klägerin hat sich bewusst über ein Verbot der Beklagten hinweggesetzt.

Eine Abmahnung war in diesem Fall entbehrlich, weil es sich bei dem Diebstahl um eine schwere Pflichtverletzung gehandelt hat, deren Rechtswidrigkeit für die Klägerin ohne weiteres erkennbar war. Aufgrund des bekannten Verbots des Resteverzehrs durch das Personal konnte die Klägerin auch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte die Entwendung der Maultaschen hinnehmen würde.
(ArbG Lörrach 16.10.2009, 4 Ca 248/09)

Praxistipp:

  • Diese Entscheidung zeigt erneut, dass die Gerichte bei Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers eine fristlose Kündigung in der Regel für gerechtfertigt halten. Das gilt selbst für den Diebstahl nur geringwertiger Sachen.
  • Trotzdem muss immer auf den Einzelfall abgestellt werden und vor allem die Verhältnismäßigkeit gewahrt sein. Das setzt vor allem eine umfängliche Interessenabwägung voraus.
  • Bei Störungen im Vertrauensbereich (z.B. Straftaten) – im Gegensatz zu Störungen im Leistungsbereich – ist eine Abmahnung in der Regel nicht erforderlich.
  • Eine Abmahnung ist insbesondere entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer davon ausgehen muss, dass der Arbeitgeber sein Fehlverhalten in keinem Fall billigt, die Abmahnung keinen Erfolg verspricht, oder es sich um besonders schwerwiegende Pflichtverletzungen handelt und eine weitere Zusammenarbeit daher unzumutbar wäre.