BAG: Auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung dürfen Arbeitgeber Sonntagsarbeit anordnen

Ist das Recht des Arbeitgebers zur Verteilung der Arbeitszeit nicht gesetzlich, kollektivrechtlich oder einzelvertraglich beschränkt, legt der Arbeitgeber die Arbeitszeitverteilung durch Weisung kraft seines Direktionsrechts aus § 106 Satz 1 GewO fest. Dazu gehört auch die Anordnung gesetzlich und kollektivrechtlich erlaubter Sonn- und Feiertagsarbeit.

Der Sachverhalt

Der Kläger steht seit 1977 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, bei der es sich um einen Automobil-Zuliefererbetrieb handelt. In ihrem Betrieb besteht kein Betriebsrat. Der Arbeitsvertrag sieht eine 40-Stunden-Woche im Schichtbetrieb vor, ohne dies näher zu konkretisieren.

Aufgrund einer Bewilligung des Landratsamts vom 19. Juli 2007 war die Beklagte berechtigt, in der Zeit vom 01. September 2007 bis 31. August 2008 bis zu 21 Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen zu beschäftigen. Daraufhin ordnete die Beklagte gegenüber einzelnen Arbeitnehmern – worunter sich auch der Kläger befand – Sonn- und Feiertagsarbeit an.

Der Kläger macht geltend, dass ohne ausdrückliche vertragliche Regelung keine Pflicht zur Sonn- und Feiertagsarbeit bestehe und er daher trotz der Bewilligung des Landratsamts nicht zur Sonn- und Feiertagsarbeit verpflichtet sei.

Zudem habe er aufgrund der langjährigen abweichenden Übung darauf vertrauen dürfen, nur an Werktagen arbeiten zu müssen.

Die Entscheidung

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg. Im Rahmen der gesetzlichen, kollektivrechtlichen und einzelvertraglichen Grenzen können Arbeitgeber die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage kraft ihres Direktionsrechts aus § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich frei festlegen. Da die Aufsichtsbehörde gem. § 13 Absatz 4 und 5 ArbZG eine Ausnahmebewilligung vom gesetzlichen Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 9 Absatz 1 ArbZG erteilt hat, war der Kläger auf entsprechende Anordnung der Beklagten arbeitsvertraglich verpflichtet, auch sonn- und feiertags zu arbeiten.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats war ebenfalls nicht zu beachten, da bei der Beklagten kein Betriebsrat gebildet ist. Auch ist keine kollektivrechtliche Regelung ersichtlich, die der Beklagten die Anordnung der Sonntagsarbeit untersagt hätte.

Schließlich ist das Weisungsrecht der Beklagten auch nicht durch den Arbeitsvertrag beschränkt. Fehlt es wie hier an einer ausdrücklichen Regelung über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die nähere Festlegung der Arbeitszeitverteilung dem Arbeitgeber überlassen sein soll. Hierin liegt auch keine unklare oder überraschende Regelung im Sinne der §§ 305 ff. BGB.

Der Umstand, dass die Beklagte von 1977 bis 2007 und damit während der Dauer von 30 Jahren keine Sonn- und Feiertagsarbeit anordnete, schließt die Berechtigung der Beklagten hierzu nach § 106 Satz 1 GewO nicht aus. Eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten durch sogenannte Konkretisierung in einen einseitig nicht veränderlichen Vertragsinhalt tritt nicht allein dadurch ein, dass der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde, z.B. bisher keine Sonn- und Feiertagsarbeit zu leisten hatte. Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit unverändert zu erbringen. Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.

(BAG 15.09.2009, 9 AZR 757/08)

Praxistipp:

  • In Betrieben, in denen ein Betriebsrat gebildet ist, hat dieser gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ein Mitbestimmungsrecht.
  • Außerdem besteht die Möglichkeit, dass das Weisungsrecht des Arbeitgebers zur Arbeitszeitverteilung durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen beschränkt wird.
  • Bei dem Direktionsrecht (Weisungsrecht) des Arbeitgebers handelt es sich um das Recht des Arbeitgebers, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers nach Art, Inhalt, Ort und Zeit der Leistung einseitig durch Weisung näher zu bestimmen.
  • Der Umfang des Weisungsrechts bestimmt sich nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages und nach kollektiven Normen.
  • Wichtig ist insbesondere, dass die angewiesene Aufgabe von der Beschreibung der Tätigkeit/des Berufsbildes gedeckt ist und kein Verstoß gegen Gesetz, Tarifvertrag oder Rechte Dritter vorliegt.
  • Außerdem muss die Grenze der Zumutbarkeit und des billigen Ermessens beachtet werden. Es ist eine Abwägung zwischen den betrieblichen und den persönlichen Interessen des Arbeitnehmers vorzunehmen.