BAG: Vereinbarung über die Rückzahlung von Ausbildungskosten in jedem Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist unwirksam

Die Vereinbarung in einem vorformulierten Arbeitsvertrag, nach der ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommene Kosten für ein Fachhochschulstudium in jedem Fall (anteilig) zurückzahlen muss, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf einer bestimmten Frist endet, ist unwirksam, weil die Rückzahlungspflicht ohne Rücksicht auf den jeweiligen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgelöst werden soll.

Der Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war bei dem Arbeitgeber ab 1. September 2003 als Organisator beschäftigt. Daneben war er vom 1. September 2003 bis 28. Februar 2005 bei der Fachhochschule für Ökonomie und Management als Student des Fachbereiches Wirtschaft mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann (FH) eingeschrieben. Der Arbeitgeber entrichtete für den Arbeitnehmer für diese Zeit (18 Monate) die Studiengebühren von 250,00 Euro monatlich, d.h. insgesamt 4.500,– Euro. Dem lag folgende Vereinbarung zugrunde:

„Der Mitarbeiter wird nebenberuflich zu seiner Regelarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche ein Studium an der Fachhochschule für Ökonomie und Management absolvieren. (…)

1. Das Unternehmen gewährt dem Mitarbeiter ein unverzinsliches Darlehen in Form der Übernahme der monatlichen Studiengebühren in Höhe von 250,– Euro für ein sieben-semestriges Studium (42 Monate) im Studiengang Betriebswirtschaft mit dem Abschluss Diplom-Betriebswirt an der Fachhochschule für Ökonomie und Management.
2. (…)
3. (…)
4. Der Mitarbeiter ist zur Rückzahlung des Darlehensbetrages in Höhe der Summe der bereits geleisteten und vertraglich gegenüber der Fachhochschule für Ökonomie und Management bis zum Ablauf der dortigen Kündigungsfrist noch zu leistenden Studiengebühren verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendigt wird, insbesondere wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen aus einem Grund gekündigt wird, den der Mitarbeiter zu vertreten hat. Für jeden Monat der Beschäftigung nach Beendigung des Studiums werden dem Mitarbeiter 1/36 des gesamten Darlehensbetrages erlassen.
5. (…)

Zum 28. Februar 2005 brach der Arbeitnehmer sein Studium ab und kündigte sein Arbeitsverhältnis beim Arbeitgeber zum 31. März 2005. Daraufhin verlangte der Arbeitgeber Rückzahlung der gezahlten Studiengebühren in Höhe von 4.500,– Euro aufgrund der geschlossenen Rückzahlungsvereinbarung.
Der Arbeitnehmer macht geltend, dass er sein Studium aufgrund der hohen Arbeitsbelastung beim Arbeitgeber von 55 Wochenarbeitsstunden nicht erfolgreich habe durchführen können und die vereinbarte Rückzahlungsklausel unwirksam sei.

Die Entscheidung

Der 9. Senat des BAG hat einen Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers abgelehnt, da die Rückzahlungsklausel den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und damit nach § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.

Es wird nicht unterschieden, ob der Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzuordnen ist. Solche Rückzahlungsklauseln, die eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers auch für Fälle vorsehen, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber veranlasst wurde (z.B. betriebsbedingte Kündigung, Kündigung des Arbeitnehmers wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers) sind unwirksam, vgl. BAG, Urteil vom 11. April 2006, 9 AZR 610/05.

Daran ändert auch der Passus „insbesondere wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen aus einem Grund gekündigt wird, den der Mitarbeiter zu vertreten hat“ nichts, da es sich dabei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht um eine abschließende, sondern lediglich beispielhafte Aufzählung handelt und damit auch alle anderen Fälle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfasst werden.

Eine Aufrechterhaltung der Klausel lediglich mit dem Inhalt der beiden genannten Beispielsfälle, in denen der Beendigungsgrund in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers zu rechnen ist (geltungserhaltende Reduktion), scheidet aus. In diesem Fall könnten Arbeitgeber bedenkenlos überzogene Klauseln verwenden, da diese nach einer AGB-Kontrolle im schlimmsten Fall auf das gesetzlich Zulässige reduziert werden würden.

Da die Unwirksamkeit der Klausel für den Arbeitgeber keine unzumutbare Härte darstellt, scheidet auch eine ergänzende Vertragsauslegung aus.

(BAG Urteil vom 23.01.2007, 9 AZR 482/06)

Praxistipp:

  • Um die Unwirksamkeit von Rückzahlungsklauseln im Arbeitsvertrag zu verhindern, sind bei der Formulierung zahlreiche Kriterien zu berücksichtigen.
  • Entscheidend sind Dauer und Umfang der Fortbildungsmaßnahme, Bindungszeit, Höhe der Fortbildungskosten, Steigerung des Marktwertes des Arbeitnehmers durch die Fortbildung sowie das Eigeninteresse des Arbeitnehmers an der Fortbildung, das das Interesse des Arbeitgebers übersteigen muss.
  • Sofern eine Fortbildung auf Weisung oder Anordnung des Arbeitgebers erfolgt ist, kann der Arbeitgeber keine Rückzahlung verlangen.
  • Das gleiche gilt, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Bindungszeit durch den Arbeitgeber ohne Verschulden des Arbeitnehmers veranlasst wurde.