BAG: Zulässigkeit der Kündigung gegenüber leistungsschwachen Mitarbeitern bei andauernder Minderleistung

Wenn ein Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet, kann eine verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Mitarbeiter gerechtfertigt sein. Allerdings genügt ein Arbeitnehmer seiner Vertragspflicht mangels anderer Vereinbarungen schon dann, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet.

Der Sachverhalt

Die Klägerin ist seit 1995 im Versandkaufhaus der Beklagten als Lager- und Versandarbeiterin beschäftigt. Ihr Einsatz erfolgt im „Sorter-Versand“. Dort werden Warensendungen auf der Grundlage von Kundenbestellungen fertig gestellt. In den Jahren 2003 und 2004 wiesen die von der Klägerin gepackten Sendungen Fehlerquoten zwischen vier und fünfeinhalb Prozent auf. Damit war ihre Fehlerquote nach den Feststellungen der Beklagten ca. dreimal so hoch wie die Fehlerquote an vergleichbaren Arbeitsplätzen.

Obwohl die Beklagte die Klägerin zweimal wegen der hohen Fehlerquote abgemahnt hatte, hatten sich ihre Leistungen nicht nachhaltig gebessert.

Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wegen qualitativer Minderleistung fristgerecht.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Kündigung und macht geltend, dass die Fehlerquote angesichts der Gesamtzahl der von ihr gepackten Pakete nicht ins Gewicht falle.

Die Beklagte hat hingegen darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin verursachten Packfehler wie Kundenverwechslungen oder das Fehlen von Einzelteilen in dieser Häufigkeit bei Kunden zum Imageverlust führten und außerdem durch die Fehlerbehebung erhebliche Kosten entstanden seien.
Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage stattgegeben mit der Begründung, dass eine Fehlerquote von ca. dem Dreifachen des Durchschnitts der anderen Mitarbeiter bei einer derartigen Tätigkeit an sich nicht geeignet sei, eine Kündigung sozial zu rechtfertigen.

Die Entscheidung

Das BAG ist den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht gefolgt und hat die Sache an das LAG zurück verwiesen. Es hat dabei festgestellt, dass die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt sein kann, da die Klägerin nach den Behauptungen der Beklagten über einen längeren Zeitraum eine qualitativ erheblich unterdurchschnittliche Leistung erbracht hat.

Eine vorwerfbare Verletzung der arbeitsrechtlichen Pflichten ist zwar nicht schon darin zu sehen, dass ein Arbeitnehmer häufiger Fehler macht als der Durchschnitt der Arbeitnehmer mit vergleichbarer Tätigkeit. Geschuldet wird nämlich nicht der Leistungserfolg, sondern nur eine bestimmte Tätigkeit. Um seiner Vertragspflicht zu genügen, muss er lediglich seine persönliche Leistungsfähigkeit in angemessenem Umfang ausschöpfen.

Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt.

Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft. Da es hinsichtlich der der Klägerin konkret vorgeworfenen Fehler und ihrer Ursachen noch an weiteren Tatsachenfeststellungen sowie einer ausreichenden Interessenabwägung fehlte, war die Sache noch nicht entscheidungsreif.

(BAG Urteil vom 17.01.2008, 2 AZR 536/06)

Praxistipp:

  • Praktische Probleme entstehen insbesondere bei der Definition der Soll-Leistung.
  • Entscheidend ist immer der Einzelfall. Abzustellen ist insbesondere auf den Arbeitsvertrag, eine Stellenbeschreibung, sofern vorhanden Zielvereinbarungen, Planzeitwerte oder Durchschnittsleistungen von Kollegen bzw. eigene frühere Durchschnittsleistungen.
  • Maßgebend ist dann die Abweichung der tatsächlich erbrachten Ist-Leistung von der definierten Soll-Leistung. Da jeder Arbeitnehmer auch mal Fehler macht, müssen die Schlechtleistungen über einen bestimmten Zeitraum erfolgen.
  • Außerdem muss eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten werden. Als Faustformel ist hierbei von einer Minderleistung von mindestens 33 % auszugehen.
  • Pauschale Behauptungen des Arbeitgebers sind hierbei nicht ausreichend. Entscheidend ist eine konkrete Aufstellung der Minderleistungen, die eine substantiierte Einlassung des Arbeitnehmers im Prozess möglich machen.
  • Daher empfiehlt sich eine sorgfältige Dokumentation des gesamten Vorgangs durch den Arbeitgeber.
  • Außerdem bedarf es vor einer Kündigung immer der Prüfung, ob das Leistungsdefizit nicht durch zumutbare Maßnahmen des Arbeitgebers behoben werden kann.