BAG: Zuständigkeit der Zivilgerichte für Auskunftsklage nach dem AGG bei Schaltung einer Stellenanzeige durch vom Arbeitgeber beauftragten Dritten

Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte scheidet aus, wenn der Arbeitgeber einen Dritten mit der Schaltung einer Stellenanzeige beauftragt und ein erfolgloser Bewerber, der einen Verstoß nach dem AGG geltend machen will, den Dritten auf Auskunftserteilung über die Identität des Arbeitgebers verklagen will. Da der Dritte nicht als Arbeitgeber in Anspruch genommen wird, liegt keine arbeitsrechtliche Streitigkeit vor, so dass nur die Zivilgerichte zuständig sind.

Der Sachverhalt

Der beklagte Rechtsanwalt ließ im Namen seines Mandanten, eines Wirtschaftverbands, in einer überregionalen Tageszeitung eine Stellenanzeige veröffentlichen. Das Anforderungsprofil für den gesuchten Volljuristen enthielt unter anderem die Angabe: „ Alter bis 35 Jahre“. Der 1952 geborene Kläger bewarb sich vergeblich. Da die Altersbeschränkung gegen § 7 AGG verstoße, will er den Wirtschaftsverband auf Schadensersatz, hilfsweise auf angemessene Entschädigung in Anspruch nehmen. Zu diesem Zweck begehrt er vom Beklagten Auskunft über die Identität des Verbands.

Der Beklagte berief sich auf seine anwaltliche Schweigepflicht und verweigerte die Auskunft. Außerdem rügte er die Zulässigkeit des Rechtswegs, da das Arbeitsgericht nach seiner Auffassung nicht zuständig sei. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und an das zuständige Amtsgericht verwiesen. Dem folgte auch das LAG, indem es die sofortige Beschwerde des Klägers zurückwies.

Die Entscheidung

Das BAG wies die Rechtsbeschwerde des Klägers ebenfalls zurück, da das Arbeitsgericht den Rechtsstreit zu Recht an das zuständige Amtsgericht verwiesen hatte. Es liegt keine Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen vor. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich zunächst nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3c ArbGG. Danach wird zwar eine Zuständigkeit für Rechtsstreitigkeiten potentieller Arbeitsvertragsparteien vor Abschluss eines Vertrages begründet, wozu auch Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung nach § 15 AGG zählen. Da der Beklagte aber nicht Arbeitgeber des Klägers werden sollte, liegt eine solche Streitigkeit nicht vor.

Ebensowenig ist eine Zuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG (Zusammenhangsklage) gegeben. Das würde neben einem Zusammenhang zwischen der vom Kläger begehrten Auskunft über die Identität des Arbeitgebers und der beabsichtigten Schadensersatzklage, was hier zu bejahen ist, weiter voraussetzen, dass bereits eine Streitigkeit nach § 2 Abs. 1 und 2 ArbGG anhängig gemacht ist oder zumindest gleichzeitig anhängig gemacht wird. Da der Kläger aber gegen den Wirtschaftsverband noch keine Klage erhoben hatte, fehlte es auch an dieser Voraussetzung.

Eine analoge Anwendung des § 2 Abs. 3 ArbGG auf den vorliegenden Fall hat das BAG mangels Regelungslücke abgelehnt.

(BAG, Beschluss vom 27.08.2008, 5 AZB 71/08)

Praxistipp:

  • Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen sind in den §§ 2, 2a und 3 ArbGG abschließend aufgezählt.
  • Da in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten andernfalls der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist, ist das Gebot des effektiven Rechtsschutzes dennoch gewahrt.
  • Der Anspruch auf Schadensersatz gem. § 15 Abs. 1 AGG richtet sich ausdrücklich nur gegen den (potentiellen) Arbeitgeber. Ob der Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG auch gegenüber einem Dritten – z.B. Personalberater – der die Stelle für den Arbeitgeber ausgeschrieben hat, geltend gemacht werden kann, ist nicht ausdrücklich geregelt und kommt in jedem Fall auf die Umstände des Einzelfalls an. Sofern er aus Sicht des Bewerbers „als Herr des Vorauswahlfahrens“ tätig ist und eigenständig und selbständig agiert, ist eine unmittelbare Haftung wohl zu bejahen.
  • Ob grundsätzlich ein Auskunftsanspruch besteht, wenn der Arbeitgeber unerkannt bleiben möchte und sich eines Dritten bei der Ausschreibung zur Besetzung einer Stelle bedient, ist nicht eindeutig zu bejahen.
  • Ein allgemeiner Auskunftsanspruch ist dem deutschen Zivilrecht unbekannt. Ebenso wenig ist ein Auskunftsanspruch ausdrücklich im AGG geregelt.
  • Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen besteht eine Auskunftspflicht nach Treu und Glauben, wenn zwischen den Parteien eine Sonderverbindung besteht und der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.
  • Problematisch ist in solchen Fällen in der Regel insbesondere das Bestehen einer Sonderverbindung, auch hat ein Arbeitgeber oft gute Gründe, weshalb er bei der Ausschreibung zunächst anonym bleiben möchte.
  • Andererseits könnte bei fehlendem Auskunftsanspruch der Arbeitgeber durch das Einschalten Dritter problemlos die Sanktionen des § 15 AGG umgehen.
  • Damit wird das Bestehen eines Auskunftsanspruchs wohl aus europarechtlicher Sicht geboten sein.