LAG Schleswig-Holstein: Nur begrenzte Überprüfung einer Abmahnung durch die Arbeitsgerichte

Einem Arbeitnehmer steht es frei, eine gegen ihn ausgesprochene Abmahnung gerichtlich überprüfen zu lassen. Den Arbeitsgerichten steht hierbei allerdings nur ein begrenzter Überprüfungsspielraum zu, weil dem Arbeitgeber hinsichtlich der Abmahnung eines Vorfalls ein gewisser Ermessensspielraum zusteht. Auch wird nicht überprüft, ob es sich bei dem Ausspruch einer Abmahnung um eine Überreaktion handelt.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1997 als Arbeiter in der Produktion beschäftigt. Die Beklagte hat dem Kläger mit Datum vom 12.04.2007 und 02.07.2007 zwei Abmahnungen ausgesprochen. Hintergrund der Abmahnungen war das fehlerhafte Arbeiten des Klägers, dass zur Fertigung nicht auftragsgemäßer Produkte führte. Der Kläger war der Auffassung, dass seine Arbeitsergebnisse nicht wesentlich von seinen Arbeitsaufträgen abgewichen hätten, weshalb die Abmahnungen unverhältnismäßig seien. Außerdem hätten Kollegen bei vergleichbaren Fehlern keine Abmahnung erhalten. Ferner lehnte die Beklagte am Tag des Ausspruchs der zweiten Abmahnung ein Urlaubsbegehren des Klägers ab, was dieser im Zusammenhang mit der Abmahnung sah und damit als weiteren Grund für deren Rechtswidrigkeit anführte.

Die Entscheidung

Wie bereits das Arbeitsgericht wies auch das LAG die Klage des Klägers ab, da die Abmahnungen berechtigt waren. Zum einen hatte der Kläger tatsächlich fehlerhaft gearbeitet und die Werkstücke nicht auftragsgemäß gefertigt. Trotz einer anschließenden Qualitätskontrolle durch einen Prüfer bedurfte es auch der sorgfältigen Arbeitsausführung durch den Kläger. Da dem Arbeitgeber bei Ausspruch einer Abmahnung ein gewisser Ermessensspielraum zusteht und der Ausspruch einer Abmahnung in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden muss, konnte der Kläger sich auch nicht auf eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu seinen Kollegen berufen, die nicht abgemahnt wurden. Im Übrigen verstoßen die Abmahnungen auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da schon der Ausspruch einer Abmahnung selbst Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen der gerichtlichen Abmahnungskontrolle ist nur insoweit von Bedeutung, als dass Form und Umstände der Abmahnung geprüft werden. Nicht geprüft werden kann die Frage, ob die Abmahnung als solche eine Überreaktion darstellt. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit wegen des Zusammenfallens der Ablehnung des Urlaubsantrags mit dem Ausspruch der zweiten Abmahnung waren dem Gericht nicht ersichtlich.

(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.06.2008, 2 Sa 66/08)

Praxistipp:

  • Neben dem gerichtlichen Vorgehen gegen eine Abmahnung steht es einem Arbeitnehmer auch offen, eine Gegendarstellung zur Abmahnung zur Personalakte zu geben.
  • Eine Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers vor Ausspruch der Abmahnung ist nicht zwingend erforderlich, aber in der Regel zur Sachverhaltsaufklärung sinnvoll.
  • Der Betriebsrat muss bei Ausspruch einer Abmahnung nicht beteiligt werden.
  • Bedeutung erlangt eine Abmahnung insbesondere im Rahmen von verhaltensbedingten Kündigungen.
  • Eine solche verhaltensbedingte Kündigung ist nämlich in der Regel nur zulässig, wenn zuvor eine Abmahnung wegen einer vergleichbaren Pflichtverletzung ausgesprochen wurde. Ausnahmsweise ist eine Abmahnung bei ganz schwerwiegenden Pflichtverletzungen entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer unter keinen Umständen mit einer Duldung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber rechnen durfte.