Betriebsratsanhörung bei verabredeter Kündigung

Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses in der Gestalt, dass zunächst eine Kündigung ausgesprochen und anschließend ein Abwicklungsvertrag geschlossen wird, so ist hinsichtlich der Kündigung des Arbeitsverhältnisses das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG einzuhalten.

Gemäß § 102 Absatz 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung anzuhören. Durch die Beteiligung des Betriebsrats vor dem Ausspruch der Kündigung soll dieser Gelegenheit erhalten, dem Arbeitgeber die Sicht und Überlegungen der Arbeitnehmerseite zum Kündigungsentschluss zur Kenntnis zu bringen, um ihm Gelegenheit zu geben, mögliche Bedenken zu Gunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

Eine Anhörung des Betriebsrats bedarf es dagegen nicht, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht einseitig durch eine Erklärung allein des Arbeitgebers, sondern zweiseitig durch einen entsprechenden Vertrag mit dem Arbeitnehmer beendet werden soll. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages unterliegt also nicht der Beteiligungspflicht nach § 102 BetrVG.

Das Bundesarbeitsgericht hatte nun im vorliegenden Fall zu entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn zwar einerseits eine Kündigung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird, jedoch andererseits eine Einigung hierüber und über die Folgen der Kündigung gemeinsam mit dem Arbeitnehmer erzielt wurde.

In der Vorinstanz hatte das Landesarbeitsgericht eine Mitbestimmungspflicht des Betriebsrates mit dem Argument verneint, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses stelle ein bloßes Scheingeschäft dar. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten im Vorfeld bereits eine Verständigung darüber erzielt, dass der Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung und der Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung erfolgen solle. Es läge also eine Vertragsbeendigung aufgrund einer Vereinbarung vor, die durch die Abgabe einer Kündigung nach außen lediglich verschleiert werden sollte.

Dieser Beurteilung folgt das Bundesarbeitsgericht nicht. Es argumentiert, dass bei einem Scheingeschäfts im Sinne des § 117 Absatz 1 BGB die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen wollen. In Wirklichkeit sollen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten. Ein Scheingeschäft liegt jedoch nicht vor, wenn es zur Herbeiführung des von den Parteien tatsächlich beabsichtigten Erfolgs der wirksamen Vornahme des betreffenden Rechtsgeschäfts gerade bedarf.

Genauso sei es im vorliegenden Fall. Allein die von der Arbeitgeberin ausgesprochenen Kündigung könne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen. Selbst wenn man davon ausginge, dass in dem Personalgespräch, in dem die Modalitäten der Vertragsbeendigung besprochen wurden, bereits mündliche Willenserklärungen mit dem Inhalt einer sofortigen oder späteren Aufhebung des Arbeitsverhältnisses abgegeben wurden, konnten diese mündlichen Erklärungen das Arbeitsverhältnis nicht beenden. Insoweit wäre das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht eingehalten worden.

Somit ist davon auszugehen, dass die ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses kein Scheingeschäft war und der Betriebsrat hierzu gemäß § 102 BetrVG anzuhören war (BAG, Beschluss vom 28.6.2005 – 1 ABR 25/04).

Praxistipp:

  • An Stelle eines Aufhebungsvertrages verabreden Arbeitgeber und Arbeitnehmer häufig den Ausspruch einer Kündigung in Verbindung mit der Vereinbarung eines Abwicklungsvertrages. Dies kann im Falle eines gerichtlich protokollierten Vergleichs zur Vermeidung einer Sperrzeitverhängung durch die Arbeitsagentur führen.
  • Arbeitgeber sollten jedoch darauf achten, dass im Gegensatz zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages die oben genannte Vorgehensweise mitbestimmungspflichtig ist.
  • Es empfiehlt sich, mit dem Betriebsrat im Vorfeld die geplante Vorgehensweise zu besprechen und so das Mitbestimmungsverfahren vorzubereiten.