Bundestag: Uneinigkeit unter Experten beim Thema "Diskriminierungsfreie Kündigungsfristen"
Bei der Erörterung der offenen Fragen zum Thema ”Diskriminierungsfreie Kündigungsfristen“ waren sich die Experten während der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag uneins. Gegenstand der Anhörung waren der ”Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils (C-555/07) – Erweiterung des Kündigungsschutzes bei unter 25jährigen“ der SPD-Fraktion (17/775) sowie der ”Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 622 Abs. 2 S. 2 BGB) – Diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Kündigungsfristen bei Arbeitsverhältnissen“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/657).
In seiner Stellungnahme unterstützt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ”die Gesetzentwürfe nachdrücklich“. Überlegungen des Gesetzgebers, ”eine Verlängerung der Kündigungsfristen generell erst ab Erreichen des 25. Lebensjahres vorzusehen, scheint nach unserer Auffassung nicht europarechtskonform“, heißt es weiter. Es bliebe bei den gleichen Wertungswidersprüchen, ”wenn der 25-Jährige, der seit acht Wochen arbeitet“, ”eine Kündigungsfrist von vier Wochen“ habe und der ”30-Jährige, der acht Jahre gearbeitet hat“, eine ”Kündigungsfrist von drei Monaten“.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände lehnt in ihrer Stellungnahme die in den Gesetzentwürfen geforderte Streichung des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB, der aus Sicht der Fraktionen eine Altersdiskriminierung nach sich zieht, ab. Bei dem Vorschlag der Fraktionen handele es sich um ”einen pauschalen, nicht weiter führenden Vorschlag“. Er sei kein Beitrag, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und bedenke nicht die Konsequenzen für den deutschen Arbeitsmarkt. Die aus den Forderungen der Fraktionen resultierende ”generelle Verlängerung der Kündigungsfristen“ würde ”insbesondere Branchen treffen, in denen die Beschäftigten – wie beispielsweise in der Bauwirtschaft – sehr jung in das Arbeitsleben einsteigen“.
Auch der Einzelsachverständige Professor Gregor Thüsing lehnte eine Streichung des Paragraphen ab und bezeichnete diese als ”phantasielos“ und als ”Gesetzeskosmetik“. Stattdessen sprach er sich dafür aus, auf die EuGH-Entscheidung so zu reagieren, dass der Paragraph künftig europarechtskonform sei.
Demgegenüber schloss sich Sigrun Heil vom Sinzheimer Institut der Forderung der vorliegenden Gesetzentwürfe an und machte sich dafür stark, die Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr bei der Berechnung der Kündigungsfrist mit einzubeziehen. Dadurch werde die Flexibilität der Arbeitgeber nicht eingeschränkt, betonte Heil. ”Außerdem ist der befristete Arbeitsvertrag in der Praxis ein viel schärferes Schwert als die Kündigung“, fügte sie an. ”Und die Zahl der unbefristeten Verträge nimmt zu.“
Die Einzelsachverständige Professor Marita Körner betonte, die Nichtanwendung des Paragraphen sei nur relevant, wenn ein Beschäftigter gegen seine Anwendung klagt. Dies allein sei Grund genug, den Paragraphen zu streichen.
Heribert Jöries vom Handelsverband Deutschland – HDE e.V. Einzelhandel sprach sich einerseits dafür aus, die Kündigungsfristen zu Beginn der Beschäftigung kürzer zu gestalten. Andererseits forderte er, die Nichtanrechnung der Ausbildungszeit gesetzlich klarzustellen.
(Pressemitteilung Bundestag vom 11.04.2011)