BVerwG: Kündigung während der Elternzeit bei Betriebsstilllegung

Die für den Arbeitsschutz zuständige Behörde muss einem Antrag auf Zulassung der Kündigung in aller Regel stattgeben, wenn einem Arbeitnehmer in Elterzeit wegen Stilllegung des Betriebs gekündigt werden soll.

Der Sachverhalt

Eine Arbeitnehmerin erklärte im Dezember 2006 gegenüber ihrem Arbeitgeber, einer Aktiengesellschaft, dass sie im Januar 2007 ein Kind erwarte und nach Beendigung des Mutterschutzes drei Jahre Elternzeit in Anspruch nehmen werde. Ende 2006 stellte die Firma den Geschäftsbetrieb ein. Anfang 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Aktiengesellschaft eröffnet.

Im Februar 2007 beantragte der Kläger, der als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Aktiengesellschaft bestellt war, bei der für den Arbeitsschutz zuständigen Behörde die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Arbeitnehmerin für zulässig zu erklären. Im April 2007 genehmigte der beklagte Freistaat Bayern die Kündigung mit der Einschränkung, dass sie erst zum Ende der Elternzeit oder frühestens zum Zeitpunkt der Löschung der Aktiengesellschaft im Handelsregister wirksam werden dürfe. Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, dass der Arbeitnehmerin während der Elternzeit eine beitragsfreie Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ermöglicht werden solle.

Das VG München wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Auffassung, dass die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Kündigung nur eingeschränkt zuzulassen, nicht zu beanstanden sei. Die Erwägung der Behörde, der Arbeitnehmerin während der Elternzeit eine beitragsfreie Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu ermöglichen, sei rechtmäßig.

Die Entscheidung

Das BVerwG hat die Entscheidung des VG München aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, die Kündigung uneingeschränkt zuzulassen.

Zwar können Arbeitgeber gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz) Arbeitsverhältnisse mit Arbeitnehmern, die sich in Elternzeit befinden, grundsätzlich nicht kündigen. Jedoch kann nach Satz 2 dieser Vorschrift die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde die Kündigung in besonderen Fällen ausnahmsweise für zulässig erklären.

Bei der dauerhaften Stilllegung eines Betriebs liegt ein solcher besonderer Fall im Sinne des BEEG vor, der die Arbeitsschutzbehörde ermächtigt, der Kündigung von Arbeitnehmern in Elternzeit zuzustimmen. Der Beklagte hat das ihm in § 18 Abs. 1 BEEG eingeräumte Ermessen hier fehlerhaft ausgeübt. Das Verbot der Kündigung während der Elternzeit dient dem Schutz vor Verlust des Arbeitsplatzes und nicht dem Interesse an einer beitragsfreien Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei einer dauerhaften Betriebsstilllegung kann dieses Ziel aber nicht mehr erreicht werden.

(BVerwG, Urteil vom 30.09.2009 – 5 C 32/08)

Praxistipp:

  • Der Kündigungsschutz gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG besteht ab dem Zeitpunkt, von dem an der Arbeitnehmer Elternzeit beantragt hat, höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit und während der Elternzeit.
  • Hierbei handelt es sich um ein gesetzliches Kündigungsverbot, das eine Kündigung gem. § 134 BGB nichtig macht.
  • Allerdings muss ein Arbeitnehmer bei einer Klage gegen eine Kündigung wegen des Verstoßes gegen das gesetzliche Kündigungsverbot gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG die Klagefrist des § 4 KSchG von drei Wochen einhalten.
  • Der besondere Kündigungsschutz nach § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG besteht neben dem besonderen Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz, § 9 Abs. 1 S. 1 MuSchG. Danach ist die Kündigung einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig.
  • Liegen sowohl die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 MuSchG als auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 BEEG vor, benötigt der Arbeitgeber zwei Zulässigkeitserklärungen der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde, sofern er die Nichtigkeit der Kündigung vermeiden will.