Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) kann keine Tarifverträge schließen

Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist keine Spitzenorganisation, die in eigenem Namen Tarifverträge abschließen kann. Sie erfüllt die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht.

Tarifverträge können auf Arbeitnehmerseite nur von einer tariffähigen Gewerkschaft oder einem Zusammenschluss solcher Gewerkschaften (Spitzenorganisation) abgeschlossen werden. Soll eine Spitzenorganisation selbst als Partei Tarifverträge abschließen, muss das zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehören (§ 2 Abs. 3 TVG). Dazu müssen die sich zusammenschließenden Gewerkschaften ihrerseits tariffähig sein und der Spitzenorganisation ihre Tariffähigkeit vollständig vermitteln. Dies ist nicht der Fall, wenn die Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen durch die Spitzenorganisation auf einen Teil des Organisationsbereichs der Mitgliedsgewerkschaften beschränkt wird. Zudem darf der Organisationsbereich einer Spitzenorganisation nicht über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinausgehen.

Der Sachverhalt

Das gemeinsam von ver.di und dem Land Berlin eingeleitete Beschlussverfahren betrifft die Feststellung der Tariffähigkeit der im Dezember 2002 gegründeten CGZP. Deren alleinige satzungsmäßige Aufgabe ist der Abschluss von Tarifverträgen mit Arbeitgebern, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreiben wollen. Für diesen Bereich sind Tarifverträge auch für Nichtgewerkschaftsmitglieder von Bedeutung. Nach § 9 Nr. 2 AÜG haben Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Überlassung an einen Entleiher Anspruch auf die dort geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen. Von diesem Gleichbehandlungsgebot kann zu Lasten der Leiharbeitnehmer nur durch einen Tarifvertrag oder aufgrund vertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag abgewichen werden.

Die Entscheidung

Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist. Die dagegen gerichteten Rechtsbeschwerden hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts zurückgewiesen. Die CGZP ist keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften (CGB, DHV und GÖD) nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem geht der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.

(Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10)

Praxistipp:

  • Die Satzung der CGZP hat nach Auffassung des BAG die Tarifzuständigkeit nicht wirksam festgelegt, weil sie zu weit ohne Beschränkung auf bestimmte Berufsgruppen oder Branchen erfolgt ist. Demgegenüber liegt eine satzungsmäßige Beschränkung seitens der die Tarifgemeinschaft bildenden Gewerkschaften (CGM, DHV, GÖD, CGPT) vor. Die Zuständigkeit der Tarifgemeinschaft reiche also (unzulässig) weiter als die der Einzelgewerkschaften.
  • Diese Entscheidung des BAG wird rückwirkend gelten. Das heißt, die von ihr geschlossenen Tarifverträge sind von Anfang an unwirksam.
  • Vertrauensschutz genießen die Zeitarbeitsfirmen wohl nicht, weil das BAG den guten Glauben an die Tariffähigkeit einer Vereinigung nämlich gerade nicht für geschützt hält (Urteil vom 15. 11. 2006 – 10 AZR 665/05). Das bedeutet, dass nicht etwa der Beschluss des ArbG Berlin vom 01.04.2009 der Stichtag sein wird, ab dem erst die Rechtsfolgen eintreten.
  • Da kein wirksamer Tarifvertrag vorliegen wird, tritt keine Befreiung der Zeitarbeitsunternehmen vom Equal-Pay-Gebot des § 9 AÜG ein.
  • Zeitarbeitsfirmen werden gemäß § 10 IV AÜG für die Zeit der Überlassung den Differenzbetrag zwischen der unwirksamen Tarifvergütung und dem gesetzlichen Anspruch zahlen müssen. Die rückständigen Lohnansprüche verjähren gemäß § 195  BGB nach drei Jahren.
  • Von dem Ausgleichsbetrag müssten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Der Beitragsanspruch zur Sozialversicherung, der unabhängig davon besteht, ob die Leiharbeitnehmer ihre Zahlungsansprüche durchsetzen, würde vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem die Beiträge fällig werden (§ 25 I  1 SGB IV).
  • Das Problem beschränkt sich dabei wegen der Subsidiärhaftung des Entleihers für die Sozialversicherungsbeiträge (§ 28 e II  SGB IV) nicht allein auf die Verleihunternehmen. Auch die Entleiher haften gesamtschuldnerisch für Sozialversicherungsbeiträge, sofern das Zeitarbeitsunternehmen nicht zahlen kann.
  • Das Risiko ist abgemildert durch eventuell in den Arbeitsverträgen vorhandene Verfallklauseln, die allerdings nur wirksam sind, sofern sie eine Verfallfrist von mindestens 3 Monaten vorsehen. Sollte eine solche Klausel in den Arbeitsverträgen des Zeitarbeitsunternehmens nicht enthalten sein, dann kann eventuell eine Verfallklausel in den Arbeitsverträgen der Kundenunternehmen helfen. Nach einer Entscheidung des LAG München (Urteil vom 12.11.2009 – 5 Sa 579/09) zählen zu den Arbeitsbedingungen des Equal-Pay-Gebots auch die Verfallklauseln in den Arbeitsverträgen des Entleihers. Diese Entscheidung ist allerdings umstritten und liegt gegenwärtig zur Revision beim BAG.