Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus

Grundsätzlich endet der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Entgelts im Krankheitsfall mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 2 EFZG). Eine Ausnahme gilt jedoch für den Fall, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit kündigt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG).

Diese Regelung soll verhindern, dass sich der Arbeitgeber zu Lasten der Sozialversicherung der Entgeltfortzahlungspflicht entzieht. Zugleich will die Vorschrift den Arbeitnehmer davor bewahren, noch während der Erkrankung einen anderen Arbeitplatz suchen zu müssen. Es wäre widersprüchlich, dem erkrankten Arbeitnehmer zwar den Schutz des Entgeltfortzahlungsgesetzes einzuräumen, dem Arbeitgeber aber zu gestatten, diesen Schutz durch eine arbeitgeberseitige Kündigung wieder zu vereiteln.

Im vorliegenden Fall hatte das Arbeitsgericht Hamburg zu entscheiden, ob aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit gekündigt wurde. Vom Anlass im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes ist der Kündigungsgrund zu unterscheiden. Die Krankheit ist dann Anlass für die Kündigung, wenn sie die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst, gerade jetzt den Kündigungsgrund auszunutzen und die Kündigung zu erklären. Ist also die aktuelle Krankheit des Arbeitnehmers der entscheidende Anstoß für den Arbeitgeber, oder wesentlich mitbestimmende Bedingung für die Kündigung, so kann von einer Kündigung aus Anlass der Krankheit gesprochen werden.

Kündigt ein Arbeitgeber im zeitlichen Zusammenhang mit der Krankmeldung eines Arbeitnehmers oder der Anzeige der Fortdauer einer bekannten Arbeitsunfähigkeit, so spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit oder deren Fortdauer Anlass der Kündigung war. Diesen Beweis des erstens Anscheins kann der Arbeitgeber nur dadurch erschüttern, dass er Tatsachen vorträgt und erforderlichenfalls beweist, aus denen sich ergibt, dass andere Gründe seinen Kündigungsentschluss bestimmt haben.

Wenn zum Beispiel der Arbeitgeber zur Kündigung unabhängig von der erneuten Erkrankung entschlossen war und das Kündigungsschreiben bereits wegen der zurückliegenden Arbeitsunfähigkeitszeiten gefertigt hatte, als ihn die Nachricht von der erneuten Erkrankung des Arbeitnehmers erreichte, müssen Grund und Anlass nicht identisch sein. In diesem Fall hätte der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung nicht über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus zu bezahlen (ArbG Hamburg, Urteil vom 17.11.2004 – 16 Ca 330/04 (nicht rechtskräftig)).

Praxistipp:

  • Als Arbeitgeber sollten Sie bei einer krankheitsbedingten Kündigung darauf achten, dass diese nicht während einer erneuten Erkrankung des Arbeitnehmers ausgesprochen wird.
  • Zumindest sollten Sie als Arbeitgeber in der Kündigung dokumentieren, dass die krankheitsbedingte Kündigung auf einem Zeitraum von Fehlzeiten beruht, der vor der aktuellen Erkrankung des Arbeitnehmers endet. So können Sie vermeiden, dass die aktuelle Erkrankung als Anlass für die Kündigung betrachtet wird.