Verlust der Warnfunktion bei wiederholten Abmahnungen

Das BAG hatte zu entscheiden, ob auf eine dritte, gleichlautende Abmahnung keine Kündigung gestützt werden konnte, weil durch wiederholt verwendete Wortwahl unter Umständen die Warnfunktion der Abmahnung verloren gegangen war.

Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung liegt in der Regel der arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers zugrunde. Nach dem Ultima-Ratio-Grundsatz muss deshalb der Kündigung zumindest eine erfolglose Abmahnung vorausgehen.

Etwas Anderes gilt nur, wenn eine Abmahnung keinen Erfolg versprochen hätte oder die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers so schwer wöge, dass ihre Hinnahme durch den Arbeitgeber von vornherein als ausgeschlossen hätte erscheinen müssen.

Wie viele Abmahnungen hinsichtlich einer gleichartigen Pflichtverletzung ausgesprochen werden müssen, bevor die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, kann nicht pauschal festgelegt werden. Vielmehr hängt es davon ab, ob im Rahmen einer Zukunftsbetrachtung von einer Verhaltensänderung des Arbeitnehmers ausgegangen werden kann.

Im vorliegenden Fall wurden wegen mehrfachen Zuspätkommens des Arbeitnehmers insgesamt drei Abmahnungen ausgesprochen. Sie waren in einer ähnlichen Intensität formuliert und drohten bei einem weiteren Verstoß unmissverständlich die Kündigung des Arbeitsverhältnisses an.

Vom BAG war vorliegend zu entscheiden, ob die dritte ausgesprochene Abmahnung dadurch abgeschwächt war, dass sie wiederum dieselbe Pflichtverletzung betraf und in weitgehend gleicher Intensität die Kündigung des Arbeitsverhältnisses androhte.

Zwar kann die Warnfunktion einer Abmahnung erheblich dadurch abgeschwächt werden, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. In diesem Fall wäre die Warnfunktion der Abmahnung nicht mehr gegeben. Wird also jahrelang die Kündigung stets nur angedroht, handelt es sich um eine „leere“ Drohung.

Im vorliegenden Fall hat das BAG die dritte gleichlautende Abmahnung nicht bereits als leere Androhung einer Kündigung qualifiziert. Zum einen sei unabhängig von der Formulierung im Einzelnen entscheidend, dass alle drei Abmahnungen deutlich zum Ausdruck bringen, der Arbeitgeber sehe in den darin erwähnten Verhaltensweisen ernsthaft vertragsgefährdende Pflichtverletzungen. Damit sei der Arbeitnehmer deutlich gewarnt.

Die Tatsache, dass nach der dritten Abmahnung weiterhin ungewiss gewesen sei, ob das Arbeitsverhältnis nun beim vierten Pflichtverstoß gekündigt werden würde, spiele keine Rolle. Denn es liege in der zukunftsbezogenen Natur von Drohungen, dass sie nicht stets wahr gemacht würden. Allein aus dieser gewissen Unsicherheit könne nicht auf ihren fehlenden Ernst geschlossen werden.

Das BAG betont, die Warnung der Abmahnung sei nicht dadurch entwertet, wenn unter den vorliegenden Umständen die in der Abmahnung enthaltene Mahnung beim Arbeitgeber die Hoffnung offen lasse, der Arbeitgeber werde vielleicht „Gnade vor Recht ergehen lassen“, weil er in der Vergangenheit „Milde walten“ ließ. Ansonsten wäre gerade der ruhig und verständig abwägende im Zweifel eher zur Nachsicht neigende Arbeitgeber benachteiligt. (BAG, Urteil vom 16.09.2004 – 2 AZR 406/03).

Praxistipp:

  • Die Anzahl der vor einer verhaltensbedingten Kündigung erforderlichen Abmahnungen hängt davon ab, ob in einer Zukunftsprognose von einer Verhaltensänderung des Arbeitnehmers ausgegangen werden kann.
  • Kann also nicht mehr von einer Verhaltensänderung des Arbeitnehmers ausgegangen werden, führt eine nicht dringend gebotene Wiederholungs- und Warnfunktion zu einer Abschwächung der Abmahnung.
  • Um diese Konsequenz zu vermeiden, sollten Sie als Arbeitgeber die Abmahnungen bezüglich einheitlicher Vertragsverletzungen mit einer stetig steigenden Intensität der Formulierung abfassen.
  • Ziehen Sie als Arbeitgeber bei stagnierendem Verhalten des Arbeitnehmers rechtzeitig die Konsequenzen und prüfen Sie den Ausspruch einer Kündigung.