LAG Baden-Württemberg: Keine Ersatzansprüche nach dem AGG bei nicht ernst gemeinter Bewerbung

Eine Benachteiligung im Sinne der Antidiskriminierungsvorschriften kommt nur dann in Betracht, wenn der Bewerber objektiv für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt und auch eine subjektiv ernsthafte Bewerbung vorliegt.

Der Sachverhalt

Der 55-jährige Kläger ist ehemaliger Rechtsanwalt und bezieht mittlerweile Arbeitslosengeld II. Er bewarb sich auf eine bei der Beklagten ausgeschriebenen Stelle eines Juristen, die bei der Arbeitsgemeinschaft Arbeitslosengeld II angesiedelt war. Das Bewerbungsschreiben enthielt in der Fußzeile einen als „Cetero Censeo“ gekennzeichneten Text, der wie folgt lautete:

„Im übrigen bin ich der Meinung, dass die Herren Lustmolche und Sittenstrolche, welche als die „Herren Freier“ regelmäßig in Bordellen verkehren, zu einer Sonderabgabe (Bordell oder Bordellumsatzsteuer) herangezogen werden müssten. Mit diesem Steueraufkommen sollte die Lebenssituation der Menschen in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen verbessert werden.“

Als Begründung in einem seiner Schriftsätze, weshalb er diesen Text in seiner Fußzeile verwende, zitierte er unter anderem aus seinem Schreiben an ein Jobcenter, in dem es auszugsweise heisst:

„Nachdem die Rotlichtbranche offenbar boomt, können Sie ja versuchen, weitere arbeitslose junge Damen an Frau „N“ (Studio A. in S) zu vermitteln. Vielleicht begegnet dann ja eine so vermittelte im SM-Studio ihrem früheren Chef wieder, der sie gefeuert hat. ……Welch ein „Hallooo“ wäre das wohl…..?!“

Ferner legte er seinen Schriftsätzen noch Kleinannoncen aus einem Berliner Magazin wie „Prallärschiges Weib für alles Unanständige gesucht“ und „Alter Molch, 57, sucht unmoralische Frauen für Sex und Kultur“ bei.

Das der Bewerbung beigefügte Lichtbild zeigte den Kläger anlässlich eines Schachturniers vor einem Schachbrett sitzend. Der Kopf des Lebenslaufes enthielt den Text „Einsatzbereit! Lässt sich kein X für ein U vormachen!“ Weiterer Inhalt seines Lebenslaufes war die Bemerkung „seit 01.01.2005 im Zuge der sogenannten Reform Harz IV auf Bahnhofspennerniveau verharzt“ sowie die Angabe über eine erfolglose Bewerbung als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit („Februar 2004: Bewerbung als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, auserwählt: Herr Weise“). Im Rahmen von Vergleichsverhandlungen machte der Kläger den Vorschlag, ihn doch auf die Position eines Sozialdezernenten „zu hieven“.

Nach der Ablehnung des Klägers durch die Beklagte machte er im Rahmen eines Antrags auf Prozesskostenhilfe Entschädigung in Höhe von 6 Bruttomonatsgehältern geltend, die er mit dem Verdacht einer Diskriminierung wegen seines Alters, seines Geschlechts, seiner Arbeitslosigkeit und seiner politischen Betätigung begründete.

Die Entscheidung

Das LAG Baden-Württemberg hat die Klage abgewiesen. Der Entschädigungsanspruch gem. § 15 Abs. 2 AGG setzt voraus, dass der Bewerber objektiv für die zu besetzende Stelle geeignet ist, sich subjektiv ernsthaft bewirbt und wegen eines im AGG aufgeführten Diskriminierungsmerkmals abgelehnt wird.

Zwar kam der Kläger objektiv für die zu besetzende Stelle aufgrund seiner Ausbildung sowie seiner beruflichen und privaten Erfahrungen in Betracht. Jedoch fehlte es an einer ernsthaften Bewerbung des Klägers.

Die Aussage über die Bordellbesucher, das unpassende Foto sowie die ironischen Äußerungen im Lebenslauf mussten bei jedem Arbeitgeber den Eindruck hervorrufen, dass der Bewerber es von vornherein nicht darauf angelegt hatte, in die engere Auswahl zu gelangen. Gerade als Volljurist und langjährigem Rechtsanwalt war dem Kläger auch bewusst, dass er mit der Form seiner Bewerbung eben diesen Effekt erreicht und sie gegen jegliche Übung im Geschäftsleben verstößt.

Die Gesamtumstände der Bewerbung sowie des weiteren Verfahrens lassen nur den Schluss zu, dass es dem Kläger ausschließlich darum ging, einerseits eine Geldquelle zu erschließen und andererseits aus Frustration über seinen sozialen Abstieg Behörden und Gerichte zu beschäftigen und auf diese Weise Aufsehen zu erregen. Auch wenn die Frustration des Klägers in gewisser Weise nachvollziehbar ist, darf das Antidiskriminierungsrecht nicht dazu missbraucht werden, Protest gegen die „Hartz“-Gesetzgebung zum Ausdruck zu bringen.

(Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 13.08.2007, 3 Ta 119/07)

Praxistipp:

  • Mit dieser Entscheidung hat das LAG an den bereits unter Geltung des § 611a BGB zum Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts entwickelten Grundsätzen des BAG festgehalten.
  • Damals wie heute kann ein Bewerber nur dann benachteiligt werden, wenn er für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet ist und sich subjektiv ernsthaft beworben hat.
  • Trotz der ablehnenden Entscheidung des Gerichts ist für Arbeitgeber bei Bewerbungsverfahren weiter Vorsicht geboten.
  • Um sogenannten „AGG-Hoppern“ keinen Anlass zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen zu geben, sollte bei Auswahlverfahren bzgl. Einstellungen und Beförderungen zunächst ein klares Anforderungsprofil definiert werden und eine sorgfältige Dokumentation der Entscheidungsgründe aufgrund dieses Anforderungsprofils erfolgen. Ablehnungsgründe sollten den Bewerbern weder schriftlich noch telefonisch mitgeteilt werden.
  • Die Frist für die Geltendmachung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen beträgt 2 Monate ab Zugang der Ablehnung, sofern tariflich nichts anderes geregelt ist.
  • Noch ungeklärt ist die Beweisfrage hinsichtlich des Zugangs des Absageschreibens.