LAG Düsseldorf (Vorlage an den EuGH): Altersdiskriminierung junger Menschen durch kürzere Fristen für die Kündigung?

Nach Auffassung des LAG Düsseldorf stellt die Staffelung der Kündigungsfristen nach der Dauer der Beschäftigung unter Nichtberücksichtigung der vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegenden Beschäftigungszeiten gem. § 622 Abs. 2 BGB eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Das Gericht hat dem EuGH deshalb die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der Sachverhalt

Die 29-jährige Klägerin war seit Juni 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Wegen Betriebsstilllegung kündigte die Beklagte der Klägerin im Dezember 2006 zum 31.01.2007. Die Klägerin hat gegen die Kündigung geklagt und macht geltend, dass ihr erst zum 30.04.2007 hätte gekündigt werden dürfen. Sie beruft sich darauf, dass für Arbeitnehmer mit zehnjähriger Beschäftigungsdauer gem. § 622 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BGB grundsätzlich eine viermonatige Kündigungsfrist gelte. Die Einschränkung gem. § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB wonach Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres lägen, bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer nicht zu berücksichtigen seien, verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

Der Beschluss

Das LAG Düsseldorf hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.a) Verstößt eine Regelung wie § 622 Abs. 2 BGB, wonach sich die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen mit zunehmender Beschäftigungsdauer stufenweise verlängern, hierbei jedoch vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers unberücksichtigt bleiben, gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung (namentlich gegen Primärrecht der EG oder die Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000)?

1.b) Kann eine solche Regelung damit gerechtfertigt werden, dass Arbeitgeber ein berechtigtes betriebliches Interesse an personalwirtschaftlicher Flexibilität haben und jüngere Arbeitnehmer im Hinblick auf ihr Alter und/oder geringere soziale, familiäre und private Verpflichtungen eine höhere berufliche und persönliche Flexibilität und Mobilität zugemutet werden kann?

2.) Falls eine Regelung wie § 622 Abs. 2 BGB gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt und dieser Verstoß auch nicht gerechtfertigt ist: Müssen die Gerichte in einem Rechtsstreit unter Privaten die gemeinschaftsrechtswidrige Vorschrift unangewendet lassen oder tritt die Unanwendbarkeitsfolge erst nach Vorliegen einer Entscheidung des EuGH über die inkriminierte oder eine im wesentlichen ähnliche Regelung ein?

(Beschluss des LAG Düsseldorf vom 21.11.2007, 12 Sa 1311/07)

Praxistipp:

  • Das AGG verbietet insgesamt eine Diskriminierung wegen des Alters und damit nicht nur Diskriminierungen älterer, sondern auch jüngerer Arbeitnehmer.
  • Die Frage, ob die Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres für die Dauer der Kündigungsfristen gegen das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, ist im Arbeitsrecht seit dem Erlass der EG-Gleichbehandlungsrichtlinie aus dem Jahr 2000 umstritten.
  • Aufgrund der nicht unerheblichen Praxisrelevanz der Dauer von Kündigungsfristen ist eine höchstrichterliche Klärung durch den EuGH zur Beseitigung der bestehenden Rechtsunsicherheit längst überfällig.
  • Bereits das LAG Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 24.07.2007 entschieden, dass die Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB eine ungerechtfertigte Diskriminierung wegen des Alters darstelle und deshalb von den Arbeitsgerichten nicht anzuwenden sei.
  • Die Entscheidung des EuGH wird damit eine gemeinschaftsweit einheitliche Klärung der Problematik herbeiführen und somit auch Klarheit über die Zulässigkeit der bisherigen Vorgehensweise einzelner Instanzgerichte schaffen.
  • Damit wird auch klar gestellt, ob die Vorschrift im Falle eines Verstoßes per se unanwendbar ist oder diese lediglich europarechtskonform auszulegen ist.
  • Unternehmen ist zu raten, bei der Berechnung von Kündigungsfristen § 622 Abs. 2 BGB nicht anzuwenden.