Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von Aufklärungspflichten bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses
Schließt ein Arbeitgeber mit einem Stellenbewerber einen Arbeitsvertrag, obwohl er weiß, dass diese Stelle aufgrund wirtschaftlicher Umstände in Kürze wieder entfallen wird, kann er sich schadenersatzpflichtig machen.
Im vorliegenden Fall ging es darum, dass ein Unternehmen mit einem Stellenbewerber einen Arbeitsvertrag schloss und der Stellenbewerber demzufolge aus seinem bestehenden Beamtenverhältnis ausschied. Knapp vier Wochen nach Aufnahme des Arbeitsverhältnisses sprach der Arbeitgeber eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus. Der Kläger war der Auffassung, dass der Arbeitgeber bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages wusste, dass seine Stelle aufgrund wirtschaftlicher Umstände in Kürze entfallen würde. Er vertritt deshalb die Auffassung, der Arbeitgeber sei ihm zum Schadenersatz verpflichtet.
Aus einem Schuldverhältnis erwachsen einer Vertragspartei nicht nur Leistungs- sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, § 241 Abs. 2 BGB. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass sich diese Pflichten unter anderem auch auf Aufklärung richten können. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht beinhaltet dabei eine Pflicht zur Aufklärung dahingehend, dass die eine Vertragspartei die andere unaufgefordert über die Umstände informieren muss, die dieser unbekannt, aber für ihre Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen oder der Durchführung des Arbeitsverhältnisses erheblich sind.
Konkret bedeutet das, dass der Arbeitgeber dann zur Aufklärung verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber wusste, dass das neu begründete Arbeitsverhältnis gefährdet sein würde. Verschweigt der Arbeitgeber Tatsachen, von denen er redlicherweise annehmen durfte, dass sie für den Stellenbewerber von entscheidender Bedeutung für dessen Entscheidung sein würden, so macht er sich dem Stellenbewerber gegenüber haftbar.
Diese Pflichtverletzung kann durch Führungskräfte des Unternehmens als deren Erfüllungsgehilfen begangen werden. Sie führt bei Verschulden zu einem Schadenersatzanspruch mit der Folge, dass der Stellenbewerber so zu stellen ist, wie er stünde, wenn er auf die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages nicht vertraut und sich auf einen Vertragsabschluss gar nicht eingelassen hätte. Dabei ist der Schadenersatz auf das Erfüllungsinteresse, d.h. die Erfüllung begrenzt.
Das BAG stellt weiterhin fest, dass der Arbeitgeber gegenüber einem Arbeitnehmer schon bei den Einstellungsverhandlungen auf dessen besondere Interessen Rücksicht nehmen muss, insbesondere muss er ihn über künftige Verhältnisse aufklären, wenn er erkennt, dass der Arbeitnehmer besondere Wünsche oder Erwartungen hat. Er darf dann nicht den Eindruck erwecken, der Arbeitnehmer könne ohne größeres Risiko sein bisheriges Arbeitsverhältnis kündigen, um sich für die Aufnahme der Tätigkeit bei dem verhandelnden Arbeitgeber freizumachen.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage hat das BAG bei dem vorliegenden Sachverhalt gleichwohl einen Schadenersatzanspruch für den Arbeitnehmer verneint. Eine Pflichtverletzung war dem Arbeitgeber nicht nachzuweisen. (BAG, Urteil vom 14. Juli 2005, 8 AZR 300/04)
Praxistipp:
- Arbeitgeber sollten im Einstellungsprozess insbesondere bei bevorstehenden Kündigungen sorgfältig abwägen, welche Zusagen sie künftigen Mitarbeitern machen.
- Im Zweifel sollte intern abgesichert werden, dass die neu zu besetzende Stelle nicht unmittelbar gefährdet ist.
- Der Personalbereich sollte darauf achten, dass sowohl die externe Kommunikation zu dem Stellenbewerber, wie auch die interne Kommunikation in die Fachabteilung sorgfältig dokumentiert wird, um später eine korrekte Information des Stellenbewerbers nachweisen zu können.