Vorlagepflichtige Bewerbungsunterlagen – Auskunftserteilung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
Im vorliegenden Fall befasst sich das BAG mit der Frage, in welchem Umfang Bewerbungsunterlagen von Stellenbewerbern im Rahmen eines Einstellungsverfahrens dem Betriebsrat gemäß § 99 BetrVG vorgelegt werden müssen. Weiterhin hatte das BAG zu entscheiden, in welchem formellen Rahmen das Mitbestimmungsverfahren gemäß § 99 BetrVG abzulaufen hat.
Umfang der Bewerbungsunterlagen
Zu den erforderlichen Bewerbungsunterlagen gehören zum einen die von den Bewerbern selbst eingereichten Unterlagen. Zum anderen sind davon ebenfalls Unterlagen erfasst, die erst der Arbeitgeber anlässlich der Bewerbung über die Person des Bewerbers erstellt hat (z.B. Personalfragebögen, schriftliche Auskünfte von dritter Seite, Testergebnisse, Einstellungsprüfungen). Zusammenfassend sind all die Unterlagen vorzulegen, die dem Arbeitgeber vorliegen, um auf ihrer Grundlage eine eigene Auswahlentscheidung zu treffen. Dies ergibt sich daraus, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 BetrVG diesem die Möglichkeit geben soll, Anregungen für die Auswahl der Bewerbung zu geben und Gesichtspunkte vorzubringen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen als des vom Arbeitgeber ausgewählten Stellenbewerbers sprechen, auch wenn eine Widerspruch nach § 99 Abs. 2 BetrVG darauf nicht gestützt werden kann.
Bitte um Vervollständigung
Zwar muss der Betriebsrat den Arbeitgeber unter bestimmten Umständen innerhalb einer Woche um Vervollständigung der erteilten Auskünfte bitten, wenn er diese nicht für ausreichend hält.
Fristbeginn für Rückäußerung:
Durfte der Arbeitgeber aber davon ausgehen, er habe seinerseits den Betriebsrat im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG vollständig unterrichtet, beginnt die Wochenfrist, innerhalb derer der Betriebsrat sich zur vorgesehen personellen Maßnahme zu äußern hat. Durfte allerdings der Arbeitgeber nicht davon ausgehen, er habe den Betriebsrat vollständig unterrichtet, beginnt auch nicht die Wochenfrist des § 99 BetrVG zu laufen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Unterrichtung deshalb offensichtlich unvollständig ist, weil nicht die Unterlagen aller Bewerber, sondern nur der für die endgültige Einstellung vorgesehenen Bewerber vorgesehen werden. In diesem Fall muss der Betriebsrat auch nicht aufgrund des Gebotes der vertrauensvollen Zusammenarbeit dem Arbeitgeber auffordern, ergänzende Unterlagen vorzulegen.
Keine Heilung durch Zustimmungsverweigerung
Im Falle der unvollständigen Unterrichtung des Betriebsrats unterbleibt nicht nur der Fristbeginn für die Rückäußerung des Betriebsrates, es kommt darüber hinaus auch nicht zu einer Heilung des Mangels der unvollständigen Unterrichtung, wenn aufgrund der unvollständigen Unterrichtung die Zustimmung zur Einstellung durch den Betriebsrat gemäß § 99 Abs. BetrVG verweigert wurde. Der Arbeitgeber kann in diesem Fall daraus nicht berechtigterweise den Schluss ziehen, die Unterrichtung sei aus Sicht des Betriebsrats ausreichend. Vielmehr wird dessen Stellungnahme häufig nur zum Ziel haben, auf jeden Fall den Eintritt der Fiktion des § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG zu verhindern.
Praxis-Tipp
- Arbeitgeber müssen den Betriebsrat alle Unterlagen vorlegen, auf deren Grundlage sie eine Auswahlentscheidung unter den Stellenbewerbern getroffen haben.
- Dies betrifft auch Stellenbewerber, die letztlich nicht in die engere Wahl genommen worden sind.
- Nur bei vollständiger Unterrichtung des Betriebsrats setzt dessen Pflicht ein, weitergehende Informationen über die Stellenbewerber beim Arbeitgeber einzuholen.
- Auch die Wochenfrist zur Rückäußerung des Betriebsrates beginnt nur nach vollständiger Information durch den Arbeitgeber.
- Bei der Einschaltung einer Personalberatungsfirma ist der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, die Unterlagen der ihm selbst präsentierten Stellenbewerber dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellen.