Zeitpunkt der Anzeige von Massenentlassungen

Der EuGH hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstatten muss. Hierbei kommt es zu einer Abweichung von der geltenden Rechtslage.

Kommt es im Rahmen von Umstrukturierungen in Unternehmen zu Massenentlassungen im Sinne des § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), so hat der Arbeitgeber zuvor den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG anzuhören, sowie eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit gemäß § 17 Abs. 1 KSchG vorzunehmen. Nach der geltenden Rechtslage kommt der Arbeitgeber der Rechtzeitigkeit der Massenentlassungsanzeige nach, wenn er zwar nach Ausspruch der Kündigung, jedoch vor Ausscheiden des Mitarbeiters die Massenentlassung bei der Arbeitsagentur anzeigt.

Dies hängt damit zusammen, dass unter Entlassung nicht der Ausspruch der Kündigung, sondern das Ausscheiden Mitarbeiters verstanden wird. Dies hat das BAG bereits am 18.09.2003 entschieden.

In seiner Entscheidung vom 27.01.2005 kommt der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun zu einem gegenteiligen Ergebnis. Danach ist bereits die Kündigungserklärung des Arbeitgebers das Ereignis, das als Entlassung gilt. Dementsprechend ist der Arbeitgeber erst dann berechtigt zu kündigen, nachdem er die beabsichtigte Massenentlassung bei der Arbeitsagentur angezeigt und die Betriebsratsanhörung durchlaufen hat (EuGH, Urteil vom 27.01.2005 – C-188/03).

Praxistipp:

  • Das Urteil des EuGH beruht auf der Richtlinie 98/59/EG und hat damit keine unmittelbare Wirkung im Verhältnis zwischen Privaten. Arbeitgeber können also weiterhin entsprechend der Rechtsprechung des BAG die Massenentlassungsanzeige nach Ausspruch der Kündigung vornehmen.
  • Es ist nicht zu erwarten, dass das BAG aufgrund der Rechtsprechung des EuGH den Begriff der Entlassung auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung definieren wird.
  • Das Urteil des EuGH wird den Gesetzgeber zu einer Änderung der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes veranlassen.